„Nachweisbar allem überlegen“

Napster für Konzerne: Jim McCoys „Mojo Nation“ ist ein Netzwerk, mit dem Medienunternehmen die Vorteile der User-Tauschbörsen nutzen können

taz: Die Firma, die Sie gegründet haben, heißt „Böse Genies für ein besseres Morgen“. Lässt sich mit dem System der „Mojo Nation“ Geld verdienen? Oder ist es einfach nur ein Spaß?

Jim McCoy: Man kann damit Gewinn machen. Wir glauben, dass wir dabei sind, eine sehr fortgeschrittene Technik zur Verbreitung von Inhalten zu entwickeln. Man kann Systeme mit verteilten Rechnern – locker peer-to-peer genannt – als Maßnahme zur Kostendämpfung nutzen. Ich habe in den vergangenen Jahren bei Yahoo! das Mailsystem betrieben, und weiß daher, wie teuer solche freien Dienstleistungen sind. Alle fragen jetzt, wo das Geld bleibt in Peer-to-Peer-Netzen. Es steckt in den gesparten Kosten, Peer-to-Peer-Netze können die Auslieferung von Inhalten drastisch verbilligen.

Wer soll denn aber bezahlen? die User oder die Verleger?

Die Verleger, glauben wir, oder wer immer sonst Inhalte vertreibt, AOL, Yahoo!, Sony und solche Leute. Wir bieten ihnen eine Technik an, die nachweisbar allem überlegen ist, was wir heute haben.

Glauben Sie, dass das Urheberrecht, so wie es heute angewandt wird, auch eine Zukunft im digitalen Zeitalter hat? Oder hoffen Sie darauf, dass die Medienindustrie neue, bessere Konzepte entwickeln wird?

Ich sähe es sehr gerne, wenn sich fortschrittlichere Lösungen entwickeln würden. Aber, ehrlich gesagt, sieht die Realität anders aus. Wir haben es mit sehr großen und sehr mächtigen Interessengruppen zu tun, die schon dafür sorgen werden, dass sich nicht allzu viel ändert. Es gibt immer noch eine Menge von Unternehmen, die weiterhin ihr ganzes Geld damit verdienen, dass sie Inhalte vertreiben. Die werden nicht so schnell verschwinden, zumindest noch nicht jetzt.

Also meinen Sie, dass ein System wie Mojo Nation verträglich ist mit dem Urheberrecht, das wir heute haben?

Oh ja, es ist vollständig verträglich damit. Die ursprünglichen Versionen des Netzes werden zwar weiterhin hier und dort weiterleben, aber wir können auch geschützte Versionen der Mojo Nation für private Unternehmen und Markennamen herstellen. Sie können dann im wesentlichen als Plattformen für Dienste wie Video-on-Demand dienen, oder auch als Backup-System des Unternehmens und andere vernünftige Anwendungen der Peer-to-Peer-Technik.

In diesem Fall würden die Nutzer ihre Bandbreite und ihre Speicherkapazität an die Betreiberfirma verkaufen?

Sie würden sie nicht verkaufen, sondern damit Handel treiben. Die sagen etwa zu Sony: Okay, du gibst mir für 19 oder 20 Dollar im Monat alle Videos, die ich haben will, ich gebe dir im Gegenzug dafür ein bisschen von der Bandbreite meines Internetanschlusses ab.

Gehören auch Anonymität und Datenschutz zu einem solchen Übereinkommen?

Das ist eine schwierige Frage. Ursprünglich war die Mojo Nation auch als sicherer Hafen für Daten entworfen worden. Es war ein verteiltes, sicheres und anonymes Speichersystem. Aber wenn es wirklich darauf ankommt, will niemand dafür bezahlen. Dasselbe haben wir auch bei anderen Systemen beobachtet, die versuchen, aus der Anonymisierung von Daten ein Geschäft zu machen. Zurzeit ist es viel teurer, nicht danach zu fragen, wer jemand ist, als herauszufinden, wer jemand ist. Wir liefern gerne, was die Leute haben wollen. Aber unglücklicherweise scheint niemand Anonymität haben zu wollen. Ich wünschte, es wäre anders.

Nun gibt es aber eine große Zahl von Peer-to-Peer-Verbindungen, bei denen ich mich überhaupt nicht darum kümmere, wer der Bursche da drüben ist. Nett, dass er mir seine Daten ausliefert, Ende der Übertragung. In solchen Fällen denke ich gar nicht daran, mich dafür anzustrengen, seine IP-Adresse herauszufinden, Logfiles anzulegen und dieses und jenes zu testen.

Was geschieht, wenn die User Urheberrechte verletzen oder Kinderpornografie und Ähnliches verbreiten?

Zum großen Teil beruht das Mojo-System auf dem Ansehen seiner Teilnehmer. Man kann sich nicht nur einen guten Ruf erwerben, sondern auch einen schlechten. Wenn nun jemand illegale Inhalte veröffentlicht, Inhalte, die wir im Einklang mit den Gesetzten aus dem System entfernen müssen, setzen wir ihn auf eine schwarze Liste und löschen seine Inhalte von den Servern, die wir selbst betreiben. Der durchschnittliche User wird unsere schwarze Liste übernehmen und diese Inhalte auch von seinem Rechner entfernen. Die schwarzen Listen können zwar von jedermann verändert werden, aber wann immer eine Mehrheit der Nutzer entscheidet, eine gewisse Art von Inhalten nicht weiterzutragen, wird es auch für diejenigen, die sie trotzdem haben wollen, viel zu mühsam, im Mojo-Netz danach zu suchen.

Glauben Sie wirklich, dass die User auch Urheberrechtsverletzungen melden? Wie Napster beweist, kommen die sehr häufig vor.

Es scheint wohl so, dass die Nutzer selbst Urheberrechtsverletzungen nicht anzeigen. Was ihnen sehr viel mehr Sorgen macht, scheint mir, sind Kinderpornografie und Hasspropaganda. Gerade diese Dinge aber sind in unserem System sehr leicht zu sperren. Dafür sorgen die User selbst. Wenn ich nämlich schon dem Netz eigenen Speicherplatz zur Verfügung stelle, dann will ich auch sicher sein, dass er nicht für diese Art von Inhalten genutzt wird.

Noch ist die Mojo Nation ein Prototyp. Das Programm ist sehr viel schwieriger zu bedienen als etwa Napster. Warten Sie darauf, dass jemand aus der Industrie mit spezifischen Anforderungen auf Sie zukommt?

Wir sind es, die heute auf die Leute zugehen. Wir sagen ihnen, was wir geschafft haben, und fragen sie, ob sie damit etwas anfangen könnten. Wir stellen ziemlich starke Behauptungen darüber auf, was eine solche Technik leisten kann. Wir behaupten, dass die Schwarmtechnik tatsächlich in großem Maßstab anwenbar ist, dass es etwa möglich ist, mit Hilfe von gebündelten Einwählverbindungen ganze Videos zu übertragen, und dass bisher noch niemand etwas Ähnliches anbieten kann. Solche Behauptungen müssen wir jetzt mit einer funktionsfähigen Technik untermauern.

Eine Technik für Medienunternehmen, die in einem Peer-to-Peer-Netz auch Produkte vertreiben können, die sonst die Bandbreiten einzelner Server überfordern würden?

So ist es, unser System spart ihnen Kosten. Bertelsmann zum Beispiel muss einige Millionen Dollar monatlich an Internetfirmen bezahlen, die für den Konzern den Onlinevertrieb seiner Produkte übernehmen. Unser System kann diese Kosten reduzieren. Allerdings kann man in einem Peer-to-Peer-Netz nie sicher sein, dass alle für einen bestimmten Inhalt erforderlichen User online sind. Die können immer mal ihren Computer ausschalten. Deswegen ist hohe Zuverlässigkeit nur schwer erreichbar. Wir müssen deswegen annehmen, dass Medienunternehmen, die unser System nutzen, immer auch noch ihren eigenen Backup-Server mitlaufen lassen, als letzte Rettung für die Daten, die im Usernetz gerade nicht verfügbar sind. Nun kostet dieser Server zwar auch einiges an Geld. Aber wenn ich einem solchen Unternehmen immer noch versprechen kann, dass ich ihm die Hälfte der Kosten abnehme, dann werde ich das tun.

Werden solche dezentralen Mediensysteme die Welt verändern?

Die Welt werden sie nicht verändern. Ich habe schon lange Zeit mit verteilten Rechnersystemen gearbeitet und denke deshalb, dass sie eine Evolution sind, keine Revolution. Die Entwicklung ist übrigens schon einige Zeit im Gange, nur hat das bisher noch niemand bemerkt.

INTERVIEW: ERIK MÖLLER

moeller@scireview.de