„Ich bleibe ein Indianer“

„Anfang der 80er war ich plötzlich draußen. Ich bin heute extrem vereinzelt.“

Das Gespräch führte ANNETTE ROGALLA

taz: Nach der neuerlichen Aufregung über Ihren „Mescalero“-Text sind Sie jetzt bestimmt eine Berühmtheit.

Klaus Hülbrock: Im Gegensatz zu meinen amerikanischen Studenten zeigen die Kollegen an der Universität Wittenberg kaum, dass sie sich für meine Geschichte interessieren. Ich spüre eine deutliche Abwehrhaltung. Ich bin ein guter Mann im Fach Deutsch für Ausländer, und das Institut sollte sich freuen, dass ich dort wirke. Stattdessen sagen einige: Der Hülbrock zeigt zu wenig Distanz zu seiner Vergangenheit. Das kann ich nicht leiden. Ich kann dieses Vorsichtige, Verklemmte zwar verstehen, aber nicht akzeptieren.

Ihr Seminar heißt „Typisch deutsch“. Was ist denn das Typische an uns?

Die Deutschen sind nahezu besessen von ihrer Vergangenheitsbewältigung. Sie wollen Vergangenheit bewältigen, indem sie sich davon distanzieren. Was aber bewältigt man mit einer Distanzierung? Die Zeit, die mich weggetragen hat, die distanziert mich doch von den Ereignissen 1977. Bewältigen, aus der Vergangenheit lernen – das sind alles blöde Floskeln.

Fast 24 Jahre lang haben Sie im Schatten zweier Wörter gelebt. Wie stehen Sie heute zu Ihrer damaligen „klammheimlichen Freude“ über den Tod des Generalbundesanwalts Buback?

Dieser Ausdruck tut überhaupt nicht weh. Wenn man aus dem Sauerland kommt, weiß man, was „klamm“ bedeutet. Man ist klamm mit Geld, hat klamme Wäsche am Leib. Klamm steht für Unbehagen. Klammheimliche Freude – eine unbehagliche, eine bedenkliche Freude; im Gegenzug zur unverhohlenen, offenen Freude, die man damals ja auch gehabt hat. Das ist jetzt keine nachgeschobene Interpretation.

Der Buback-Nachruf ist Ihnen nie eine Lebenslast geworden?

Der Artikel ist mir zu Teilen sehr schmerzhaft geworden. Es sind die Passagen, wo ich sage, Buback hat eine Verbrechervisage. Dieser Jargon, der damals in der Szene so gang und gäbe war, der tut mir Leid. Wir hatten eine absolut rohe, schäbige Sprache. Das tut mir heute weh in dem Sinne, dass sie auch nach langer Zeit noch so giftig wirkt, auch gegen mich selbst.

Wann setzte der Wundschmerz bei Ihnen ein?

Zehn Jahre später, als ich schon als Deutschlehrer in China unterrichtete. Als ich den Artikel Ende der 80er noch einmal las, fragte ich mich: Hätte Mescalero seine politische Aussage nicht auch erzielen können, wenn er auf solche Worte wie „Visage“ und „Verbrecheralbum“ und all dieses sprachliche Trara verzichtet hätte? Hätte man das nicht anders ausdrücken können? Aber um solche Gedanken formulieren zu können, musste ich älter werden. Ich saß in China, sah in den Spiegel und sagte zu mir: Hast doch selbst eine Visage.

Inwiefern wurden Sie Siegfried Buback ähnlich?

Ich bin ihm nicht ähnlich geworden. Aber das Gift, das ich vesprüht hatte, wirkte nach so langer Zeit gegen mich selbst. Der Buback-Nachruf war keine bloße Formulierung. Es war diese rohe, schäbige Sprache, die mich so nachhaltig schmerzte.

Welche Funktion hatte diese schäbige Sprache seinerzeit?

Wir von der BuF, der Bewegung undogmatischer Frühling, verfügten uns in die Schäbigkeit. Eigentlich war diese schäbige Sprache unserere Form der Auseinandersetzung. Vor allem mit K-Gruppen, der Trittin-Fraktion und solchen Leuten. Deren Stakkato, diese schwere Grammatik der Revolution, die Ernsthaftigkeit, mit der sie auftraten, war freudlos, so selbstgewiss! Gegen diese exekutive Sprache der Distanzierung von allen, die nicht auf ihrer, also auf der „richtigen“ Linie lagen, entwickelten wir unser Auftreten. Wir wollten auf den Vollversammlungen nicht so vernünftig reden wie diese Leute.

Wären Sie dazu in der Lage gewesen?

Nein. Wir haben immer nur gestammelt, wenn wir ein Mikrofon sahen. Wir waren völlig unfähig, solche Medien wie ein Mikrofon richtig auszunutzen und umzusetzen in die große Massenwirksamkeit der Rede eines Tribuns, der als Studentenfunktionär auf der Bühne steht und dem 500 oder 1.000 Leute zujubeln. Das konnten wir nicht. Wir wollten solche Funktionäre in die Waden beißen, die uns immer nur spüren ließen: Wir wissen, wo es langgeht – im Gegensatz zu euch kleinen Scheißern da unten. Ihr seid doch nur die doofen Spontis.

Sie erzählen das so, als sei die BuF an der Universität Göttingen 1977 Vorläuferin der Toten Hosen gewesen.

Ja, das war bestimmt Punk.

Sie tranken eiskalten Bommerlunder und hatten viel Spaß?

Spaß war wichtig, und wenn die seriösen Gruppen um Trittin dazu aufriefen, am Wochenende vor die Atomkraftwerke zu ziehen, dann waren wir durchaus in der Lage, zu sagen: Wir gehen lieber Skat spielen und trinken. Wir konnten uns diese Haltung leisten. Wir waren innerhalb der Linken in einer splendiden Situation.

Die BuF hatte bei den Studentenwahlen 1977 ein gutes Ergebnis erzielt.

Das war ein Ereignis, das man nicht wiederholen wollte. Die anderen Gruppen aber mussten sich um Kontinuität bemühen, um Verlässlichkeit. Also mussten sie Gewissheit ausstrahlen – und so tun, als wisse man, was richtig ist, und als habe man ein Endziel vor Augen. Uns war der Spaß wichtiger, der in der Provokation dieser K-Gruppen lag. Wir haben uns lieber mit denen gefetzt, als etwas „gegen die bürgerliche Gesellschaft“ auszuhecken.

In Ihrer Stimme schwingt ja noch immer die Lust an der Action mit.

Damals verschlangen wir Mescaleros Roland Barthes Buch „Die Lust am Text“. Er schreibt: „Der Text ist jene ungenierte Person, die Vater Politik ihren Hintern zeigt.“ Wir sind gegen dieses extrem autoritäre Lager innerhalb der Linken angegangen. Und daher kommt diese Schäbigkeit, die bis in die Sprache hineingeht. Wir waren keine Hasser. Wir waren Arschlöcher, wir waren schäbig, und wir sind bis an die Grenzen des Zumutbaren gegangen.

„Schäbig“, „Arschlöcher“ – warum würdigen Sie sich so herab?

Wir waren ja nicht nur im ästhetischen Sinne schäbig, sondern wir waren schäbig im Sinne von Schaben, die in Ritzen leben. Wir lebten in den Rissen, die sich in den glatten, stringenten Argumenten der marxistischen Corona auftaten. Wir haben durch verbale Provokationen schabengleich versucht, diese Risse aufzusprengen, und wollten dadurch bei den anderen Studenten Anerkennung gewinnen. Wir wollten dazwischengehen in dieses messianische Moment der K-Gruppen, wollten etwas tun, was ein Lachen hervorruft, als Mittel der Erkenntnis.

Damals lernten Sie Jürgen Trittin vom Kommunistischen Bund kennen . . .

Er war eine Hintergrundfigur, aber dominierend. Der stand nicht vor dem Werkstor und hat den Arbeiterkampf verteilt. Ich habe ihn nicht persönlich gekannt. Seine Fraktion behandelte uns herablassend, und wir verachteten sie, weil sie die wirklichen Debatten damals nicht wahrnahmen. Sie wussten nichts von den französischen Soziologen und Philosophen.

Wenn Sie Trittin noch nie leiden konnten, warum reichen Sie ihm jetzt die Hand und helfen ihm aus einer unangenehmen politischen Lage heraus?

Das muss sein, weil ich mir von Trittin nicht diese Geschichte interpretieren lassen will. Der ist dazu nicht in der Lage, zu antworten, wenn er gefragt wird: Wer waren denn die Leute vom Mescalero? Da möchte ich die Authentizität und Genauigkeit herstellen. Das weiß ich doch noch von damals, welche Mühe die Leute um Trittin gehabt haben, sich nicht sofort vom Buback-Nachruf zu distanzieren. Trittin und seine Leute haben weder den Stil noch den politischen Inhalt des Mescalero getragen. Und wenn die sich damals hätten distanzieren können, dann wäre ich einer Hatz ausgesetzt gewesen, die ich nicht so überstanden hätte.

Sie bestehen sehr auf Ihrer Urheberschaft am Mescalero-Nachruf. Versteifen Sie sich dabei nicht ziemlich auf die politische Rückschau?

Vor zwei Jahren trat Michael Buback im Fernsehen auf. Er interpretierte ein Gedicht von Erich Fried, das den Tod seines Vaters und den Buback-Nachruf behandelte. Buback sagte, er habe den Verfasser des Nachrufs noch nicht kennen gelernt und dies sei ein schreckliches Gefühl für ihn. Ich schrieb ihm und erklärte, was es mit der Sprache im Nachruf auf sich hat. Das wollte ich einerseits einfach mal loswerden. Auf der anderen Seite wollte ich deutlich machen, dass dies kein Grund ist, sich von der politischen Performance des Mescalero-Artikels zu distanzieren. Vor zwei Jahren wollte ich mich wieder einmischen, habe an den Stern und an Stefan Aust geschrieben. Aber das hat sie nicht so recht interessiert, vielleicht zu Recht nicht.

Was hätten Sie zu diskutieren?

In den 70er-Jahren gab es keine seriöse Auseinandersetzung. Innerhalb der Linken wurden Distanzierungen en gros produziert: Ein paar Jahre zuvor hatten sie noch alle den bewaffneten Kampf hochgehalten. Selbst die Jusos hatten sich den Kampf der Tupamaros auf ihre Fahne geschrieben. Um sich dann, innerhalb von wenigen Jahren, mit glatten Worten von alldem zu distanzieren und nicht anzuerkennen, dass die Linke die RAF sozusagen mit hervorgebracht hat. Das war auch ein Ausgangspunkt für diesen Mescalero-Artikel. Die erste RAF-Generation ist ein Resultat der 68er gewesen, so wie die zweite Generation sicherlich ein Resultat der Sozialdemokratie, mit dem schneidigen Schmidt an der Spitze, war. Das sind die Themen, die nachwirken.

Wir leben nicht mehr in der Bundesrepublik von 1977.

Wir sind aber doch heute in einem ähnlichen Zustand. Auch wenn man die Wiederholung der Debatten für absolut bescheuert hält, sind wir doch in einem vielleicht sogar noch schlimmeren Zustand einer Rhetorik, der es nicht mehr um Wahrhaftigkeit geht. Die politische Rhetorik, bis hin zu Fischer und Trittin, dreht sich nur noch um das Zuweisen von Markierungen der Verächtlichkeit oder der Ausgrenzung: Wir sind die Guten, ihr die Schlechten.

Wer wird ausgegrenzt?

In jeder politischen Debatte zwischen Opposition und Regierung wird so getan, als wäre der politische Gegner moralisch schlechter durch das, was er als Vergangenheit zu bewältigen hat. Immer stellt sich jemand mit dem Duktus der Gewissheit hin: Ich bin mir völlig gewiss, dass wir die richtige Position haben. Das ist die reinste Verlängerung des K-Gruppen-Dogmas in der Politik. Angela Merkel stellt sich hin und bekennt: Wenn die Wahrheit eine Variable ist, dann sollten wir sie einsetzen. Diese Verabschiedung von der Wahrhaftigkeit der politischen Rede ist heute sehr viel größer als damals.

Frau Merkel wird sich bedanken, in die Tradition der K-Gruppen eingereiht zu werden.

Das ist meine sehr stark subjektiv gefärbte Einschätzung. Ich denke, dass ein Mescalero-Artikel, so beschissen er auch ist, eine größere Wahrhaftigkeit hat als die glattgefügte Rhetorik, die wir heute politische Meinungsbildung nennen.

Kann diese Gesellschaft Sie noch überraschen?

Das ist eine schwierige Frage. Ich habe bislang keine Überraschung erlebt, die an die Intelligenz der Debatten von früher heranreichen würde. Damals waren die Zeiten schrecklicher, die Debatten dafür aber weitreichender. Heute sind die Zeiten nicht so schrecklich, aber die Debatten furchtbar langweilig.

Nicht mehr in der bipolaren Zeit von 1977 zu leben ist doch ein Fortschritt.

Was tritt an dessen Stelle? Innerhalb einer bestimmten Fortifikation treten sich zwei, drei Meinungen gegenüber und alles, was Dissens ausmacht, so wie wir es damals formuliert haben, ist ausgeschlossen.

Haben Sie den Dissens formuliert? Die Gesellschaft hat doch eher in Ablehnung auf Sie reagiert.

Wenn man mit einem Nachruf, der eine Schmähung ist, an die Öffentlichkeit tritt, ist das doch wohl Dissens. Und wenn man aus dem gängigen linken Diskurs austritt und sagt: Das ist mir alles scheißegal, ich bringe jetzt nur noch Rülpser zu Papier, so wie sie auch auf der Straße vorkommen, dann ist das doch wohl auch Dissens. Dieser Dissens wäre heute nicht nötig. Aber notwendig wäre heute, aus bestimmten Arrangements der Öffentlichkeit auszusteigen. Alle treten sich in einem geschlossenen Universum gegenüber, und das nennt sich Meinungsfreiheit. Das nenne ich fast schon wieder gewaltförmig. Diese Art von Öffentlichkeit bringt immer wieder eine Markierung von Verachtung hervor. Weil nur zwei, drei Meinungen erlaubt werden und man sagt: Die anderen müssen das erst einmal lernen.

Sie leben politisch seit 24 Jahren von der einen Nacht, in der Sie den Mescalero-Artikel schrieben.

Dieser Artikel ist nicht mein ganzes Leben. Ich arbeite seit 20 Jahren an der Integration von Ausländern. Ich bringe ihnen nicht nur die Sprache bei. Ich erkläre ihnen auch in einem furchtbar ausgewogenen Stil die deutsche Kultur. Damit meine ich nicht solche Dinge, wie wir sie damals gemacht haben.

Sie haben sich aus dem Mythos Mescalero eine zweite Haut gewebt.

Zu diesem Namen stehe ich.

Warum erwählten Sie ausgerechnet diesen Apachenstamm als Paten?

Weil er der schäbigste war. Ich habe als Junge Wildwest-Heftchen verschlungen, zu 70 Pfennig das Stück. Und diese Mescaleros waren von allen die Grausamsten, die Schrecklichsten, die am wenigsten Domestizierten. Da war es einfach naheliegend, diesen Namen zu nehmen.

Das war naiv.

„Diese Mescaleros waren von allen die am wenigsten Domestizierten.“

Das war total naiv. Der Terror, der Schrecken, der besonders von diesem Stamm ausging, wirkte am nachhaltigsten in der amerikanischen Geschichte der Indianerkriege. Von allen Apachen sind die Mescaleros die blutrünstigsten. Und heute haben die aus ihren Reservaten Spiel- und Skiparadiese gemacht. Die haben sogar ihrer Regierung angeboten, gegen Bares Atommüll zu lagern. Eine völlig unberechenbare politische und gesellschaftliche Größe sind diese Mescaleros. Das finde ich Klasse. Die Mescalero-Geschichte ist auch für die Linken ein Mythos, und daran sollte man weiterstricken.

Helfen Sie uns mit ein, zwei Ideen auf die Sprünge.

Man muss das politische Interesse auf solche Themen lenken, wie sie die Gesellschaft für bedrohte Völker bearbeitet. Heute kommt es auf die Nachhaltigkeit der Entwicklung an: beim Klima, den Bodenschätzen. In dieser Richtung kann man unsere Arbeit fortsetzen.

Was halten Sie davon, dass die politischen Kontrahenten von damals als Minister große Karriere machen?

Da geht nicht viel in mir vor. Ich habe es selbst gewählt, keine Karriere zu machen. Aber Herrgott noch mal, soll ich darüber nachdenken, was gewesen wäre, wenn ich damals das alles nicht gemacht hätte?

Trittin, Fischer und einige andere gestalten heute Politik.

Und ich nichts mehr. Das schmerzt schon, da haben Sie Recht. Ich möchte auch wieder gerne ein Mittel der politischen Intervention haben, das es gestatten würde, diese, wie ich es empfinde, hermetische Dimension von Öffentlichkeit anzugreifen. Das kann ich nicht, weil ich heute extrem vereinzelt bin, und damals waren wir eine Gruppe. Als Gruppe ist man immer in der Lage, zu intervenieren. Als Einzelner nicht.

Es sei denn, es ergibt sich so eine glückliche Fügung wie jetzt mit Trittin und dem Buback-Nachruf . . .

. . . wo man wie eine Klapperschlange vorschnellen kann. Das ist die Ausnahmesituation. Und ich denke oft: Schade, warum gibt es für mich diese Einflussmöglichkeiten nicht mehr?

Wann haben Sie den politischen Anschluss verloren?

Ich habe nie eine Affinität zur Friedensbewegung oder zur Anti-AKW-Bewegung finden können. Mein Studium ging zu Ende, und Anfang der 80er war ich plötzlich draußen und musste etwas Seriöses machen. Und Deutsch als Fremdsprache ist eine tolle Arbeit. Ich habe den Zug gewechselt.

Sie sind 1986 als Deutschlehrer nach China gegangen, an die Universität von Kanton. Und blieben auch 1989, nach dem Massaker am Tiananmen-Platz dort. Was hat Sie gehalten?

Wir Deutschlehrer haben uns für das resistente Dableiben entschieden, weil wir die Modernisierung des Landes nicht für die Chinesische KP wollten, sondern für das Land, für die Menschen. Gesträubt habe ich mich gegen die unbeweglichen Marionetten des Maoismus. Aber in dem Moment, in dem sich die internationale Öffentlichkeit von China abwandte, haben wir gerade weitermachen wollen. Ich bewerte dies als fortgesetzte Trotzreaktion.

Sie haben nie mit dieser Entscheidung gehadert?

Nein. Peking stand unter Kriegsrecht, und ich hatte überhaupt keine inneren Schwierigkeiten, eine staatliche Auszeichnung entgegenzunehmen. Ich habe im Oktober 1989 einen Verdienstorden bekommen, kurz nach dem Massaker. Ich wurde als bester ausländischer Experte geehrt. Dieses Ritual wird jedes Jahr vollzogen. Da müssen viele dran drehen, damit das Licht auf die eigene Abteilung fällt. Für die Universitätsinstitute ist es wahnsinnig wichtig, zu wissen, dass sie den besten ausländischen Experten stellen. Das bedeutet nämlich: Wir sind gut, wir bekommen in Zukunft mehr staatliche Mittel.

Das klingt sehr rational.

Die Entscheidung, den Orden in Empfang zu nehmen, habe ich lange abgewogen. Aber diese Rationalität war ich meinen Studenten schuldig. Jetzt liegt der Orden im Keller. In irgendeiner Kiste.

Sind Sie denn überhaupt noch ein Indianer?

Ich bleibe ein Indianer. Das kann man nicht abschütteln. Indianer sind immer ein bisschen einsam.