Seid gegruselt, ihr Verfluchten

Man hatte den Frauen der Familie Bonomia ausdrücklich verboten, Inzest zu betreiben. Eine tat es doch. Jetzt muss die Familie untergehen: „Inugami“ von Masato Harada mit verwunschenen Schauspielern im Wettbewerb

von DETLEF KUHLBRODT

Am Anfang war alles etwas merkwürdig, wie es sich für einen Horrorfilm gehört, gerade wenn man man sich am Vormittag schon gruseln will: Am Anfang gibt es also ein Holzhaus. Davor eine schwedische Fahne. Da drin ein Mann. So um die fünfundvierzig. Er trinkt und hört klassische Plattenmusik dabei. Das Zimmer ist möbliert. Dabei fiel mir ein, dass ich doch eigentlich noch zu Ikea wollte. Ein hübsches blondes Mädchen – seine Tochter? – hüpft im Garten herum. Er trinkt weiter. Die Musik hört auch nicht auf.

Ein neuer Tag beginnt. Während man grad noch denkt, dass man versehentlich wohl im falschen Film ist, hält ein Krankenwagen vor dem Haus, um dezent anzudeuten, dass Alkohol ungesund ist, würde ich mal vermuten. Fröhlich guckt das kleine Mädchen und der Film ist nun zu Ende. Interessant, was man alles so verfilmen kann. An solche Sachen hatte ich eigentlich nicht gedacht, als ich mir auf dem Fahrrad überlegte, dass Filme ja keine Meisterwerke sein müssen, um interessant zu sein, sondern dass ja im Gegenteil die meisten Filme natürlich keine richtigen Meisterwerke sind und man trotzdem was lernt und Neues erfährt. Man will ja auch nicht ständig mit superinteressanten Leuten zu tun haben; uninteressante Leute sind ja auch häufig sehr interessant!

Wie auch immer.

Glücklicherweise kommt dann doch noch der richtige Film, „Inugami“, der japanische Gruselfilm von Masato Harada. In dezent japanisch zurückgenommener Opulenz und im schönsten Cinemascope erzählt der Film – wie fast jeder Gruselfilm – vom Einbruch des unbekannt allzu Bekannten in den Alltag einer Familie, die sich allerdings auch nicht allzu sehr wundert, schließlich ist sie schon seit Jahrhunderten verflucht und verwunschen.

Die Stadt in der Nähe der Papiermühle der Familie Bonomia ist auch sehr betroffen. Am Ende steht ein Wettlauf, wer die Familie auslöscht: die verängstigten Bewohner der Stadt oder die durchgedrehteren Mitglieder der Familie selbst. Die Frauen aus der Familie Bonomia haben seit alters die Aufgabe, auf Dämonen aufzupassen, die in einer Urne eingesperrt sind. Ein normales Leben ist ihnen verwehrt. Außerdem geht die Sage, dass die – weiblichen – Dämonen kommen und alles zerstören, wenn es in der Familie zu inzestuösen Verwicklungen kommt.

Dies geschieht natürlich; vor langer Zeit schliefen Schwester und Bruder zusammen; ein Kind entstand, das bei seiner Geburt vertauscht worden war und als Lehrer seine Familie unbekannterweise aufsucht, sich in seine Mutter verliebt usw.

Die Geschichte, die auf der landschaftlich sehr beeindruckenden Insel Shikoku spielt, ist eigentlich auch nicht soooo wichtig. Toll sind allerdings: die äußerst präzise Inszenierung, die großartigen Dekors, die klasse gestalteten Räume und die verwunschnen Schauspielerinnen vor allem auch.

Mit viel Liebe fürs stimmige Detail – der Produktionsabläufe in der Papiermühle etwa, dem Schöpfen schönen Papiers und großartigen Bildern sich dezent – dramatisch zusammenballender Wolken – hat Masato Harada seinen in träumerischer Schönheit fotografierten Film gestaltet. Auf Schockeffekte und die im westlichen Horrorfilm seit Jahren ungut grassierende Witzigkeitssucht verzichtet „Inugami“ weitgehend; gruseln muss man sich auch nicht so sehr, mag man seine außerfilmische Umwelt nach dem Gucken auch irgendwie anders wahrnehmen.

„Inugami“, Regie: Masato Harada. Mit Yuki Amami und Atsuro Watanabe. Japan, 105 Minuten