Der Ernst in der Revolte

Falsch in der Hamburger Schule: Superpunk halten sich mit ihrem Polit-Rock an britische Vorbilder. Ironisch ist das nicht gemeint. Doch die Missverständnisse häufen sich – das Publikum schmunzelt

„Wasser marsch“ ist die beste Platte, die Blumfeld längst hätten machen sollen

von THOMAS WINKLER

Let’s talk about Revolte. Du kannst auch Widerständigkeit dazu sagen. Oder Trotz. „Politisch zu sein wird von allen Seiten negativ besetzt und als uncool empfunden“, sagt Carsten Friedrichs, Sänger, Gitarrist und Texter von Superpunk, „es ist aber mal wieder an der Zeit, sich über solche Sachen Gedanken zu machen und Popsongs darüber zu schreiben.“

Also wurde geschrieben, eine ganze Platte voll. Kein einziges Liebeslied. Dafür flott abgehende, von britischem Beat und Northern Soul inspirierte Songs, in denen der einfache Kraftfahrer den bösen Fabrikanten zur Rede stellt, in denen Freundschaft und Solidarität beschworen werden, Songs, in denen das Gesundheitssystem und die Zweiklassengesellschaft, der Kapitalismus und die Globalisierung angeklagt werden mit einer Vehemenz, wie man sie hierzulande seit sehr, sehr langer Zeit, vielleicht sogar seit Ton Steine Scherben nicht mehr gehört hat. „Ich will mich nicht wohl dabei fühlen, irgendwelche Sachen zu singen, die belanglos sind“, sagt Friedrichs und ereifert sich dabei sogar ein wenig, „da mach ich einfach nicht mit. Das mag ja old-schoolig sein: Aber Arm und Reich wird es immer geben. Es wird immer Leute geben, die die Drecksarbeit machen.“

„Wasser marsch“ ist das zweite Album des Hamburger Quintetts, dessen zwei Jahre altes Debut „A bisserl was geht immer“ bei einem Mini-Independent sich immerhin 2.000-mal verkaufte. Die neue Platte beginnt mit einer souligen Hymne an ein aufrechtes Rückgrat, wie sie sonst nur in England geschrieben werden: „Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen“, singt Carsten Friedrichs über einem knarztrockenen Rhythmus mit einer Stimme, die immer leicht resigniert klingt, als wüsste sie um die Sinnlosigkeit der historischen Aufgabe.

Mit Distanz aber oder gar Ironie möchten Superpunk diesen Tonfall nicht verwechselt wissen. Die Verbindungen zum Phänomen Hamburger Schule sind zwar freundschaftlich und personell, schließlich hat man mit Thies Mynther eine lokale Szenegröße in den Reihen, die sonst bei Stella in die Tasten haut, und der Rest der Band hat auch schon reichlich in anderen Projekten wie Sand 11, Regierung, Subway Surfers oder Huah Erfahrung sammeln dürfen. Inhaltlich aber will man mit dem „verquasten Studentenkram“ der eigenen Saufkumpane nichts zu tun haben. „Mir war es wichtig“, ergänzt Gitarrist Lars Bulnheim, „dass es klare Sätze sind. Ohne Philologengewichse.“

Trotzdem: Die Missverständnisse häufen sich. Immer öfter werden Superpunk nun konfrontiert mit schmunzelnden Gesichtern. Mit Journalisten und Publikum, die sie als lustigen Haufen sehen und glauben, Texte wie „Ich hasse die Reichen, die ihr Leben genießen“ seien doch ganz spaßig. Friedrichs zeigt sich überrascht, dass ausgerechnet seine „strenge Sprache mit klaren Bildern“, die auch vor Slogans nicht zurückschreckt, falsch verstanden werden kann. „Alles bierernst“ sagt Friedrichs, „an uns ist nichts ironisch.“

Auch nicht ein Song wie „Neue Zähne für meinen Bruder und mich“, in dem erzählt wird von einer Entführung, die allein dazu dient, neue Gebisse zu finanzieren. Eine wahre Geschichte, von der sie durch eine Tageszeitungs-meldung erfahren haben, darauf legen Friedrichs und Bulnheim Wert. „Wir wollen keinen Volkshochschulkurs machen, wir wollen nicht belehren. Aber das hier ist ein schweinereiches Land. Und dann erkennst du die Armen daran, dass sie keine Zähne mehr im Maul haben?“, fragt Friedrichs. „Mir war das einen Song wert.“

Wahrhaftigkeit oder Authentizität sind bei Superpunk keine Schimpfwörter. „Wenn man in Deutschland mal nicht über Liebe singt, sondern soziale Realitäten aufgreift“, hat Friedrichs festgestellt, „dann ist das schon was Außergewöhnliches.“ So kann man mit Friedrichs lange über Antifa-Demos, den alltäglichen Kampf gegen Neonazis plaudern. Aber auch über Fußball, die Pervertierung des Profisports im Allgemeinen und seine mitunter unglückliche Liebe zum HSV im Besonderen.

Was wird übrig bleiben von der Politik, wenn Superpunk in die Medienmaschinerie geraten? „Es kann sein, dass die Inhalte entwertet werden, wenn man sich auf das Geschäft einlässt“, gibt Friedrichs zu, „aber man will ja Musik machen und will, dass möglichst viele Leute das hören. Dazu braucht man halt bestimmte Hilfsmittel wie Radio oder eine Plattenfirma. Insofern gesehen gibt es nun mal kein richtiges Leben im falschen. Man kann natürlich eine Platte selber rausbringen. Aber die verkauft sich dann zweihundertmal, und man erreicht auch nichts.“

Die britische Dreifaltigkeit von Jam, Kinks und Smiths gibt Friedrichs als Idole an. Glücklicherweise aber haben Superpunk ihre englischen Vorbilder nicht nur inhaltlich, sondern auch musikalisch studiert.

Schon lange nicht mehr wurde so überzeugend losgerockt und der Mut zur Hymne wieder entdeckt, so vollkommen unbeleckt von allen Hinterfragungen, Absicherungen und Coolness-Erwägungen. So gesehen ist „Wasser marsch“ eine hoffnungslos altmodische Platte. Aber wenn man sie hört, wird einem das so scheißegal, dass man die autonome Lederjacke wieder rausholen würde, hätte man sie nicht letzte Woche in dieAltkleidersammlung gegeben.

So mag „Wasser marsch“ die beste Platte geworden sein, die Blumfeld schon längst hätten machen sollen. So gut aber diese Platte auch ist, ihren Sinn wird sie wohl kaum erfüllen. „Ich mache mir keine Illusionen“, sagt Friedrichs, „dass man mit einer Popplatte irgendetwas verändern kann.“ Schade eigentlich. Aber ein wenig mehr gute Musik ist ja auch nicht schlecht.

Superpunk: „Wasser marsch“ (L’Age d’Or/Zomba) Tournee: 3. 3. Hamburg, 30. 3. Kiel, 31. 3. Bremen, 1. 4. Münster, 2. 4. Marburg, 3. 4. Düsseldorf, 4. 4. Köln, 5. 4. Heilbronn, 7. 4. München, 10. 4. Augsburg, 11. 4. Dresden, 12. 4. Leipzig, 13. 4. Berlin, 14. 4. Bielefeld, 15. 4. Hamburg