Lob und Tadel für 68er

Bundespräsident Rau dankt der Protestbewegung, Exkanzler Schmidt spricht von „Massenpsychose“

BERLIN dpa ■ Wenn sich über 68-jährige Sozialdemokraten an die 68er Jahre erinnern, kommen sie mitunter zu höchst unterschiedlichen Bewertungen. So würdigte Bundespräsident Johannes Rau gestern ausdrücklich den Beitrag der Studentenbewegung: „Wir verdanken dieser Protestbewegung einen entscheidenden Anstoß dafür“, sagte Rau in Berlin, „dass wir uns in der Folge als Gesellschaft offener und ehrlicher mit unserer Vergangenheit auseinander gesetzt haben.“

Ganz anders Exkanzler Helmut Schmidt. Er kritisierte die 68er-Bewegung massiv. Sie sei eine „Massenpsychose“ gewesen, sagte Schmidt bei einer Preisverleihung für den Schriftsteller Siegfried Lenz in Hamburg. Wer von den 68ern auf die Generation des Wiederaufbaus überheblich herabschaue, sollte „sich selbst Rechenschaft über seine eigenen Verirrungen ablegen“.

Nach Ansicht des SPD-Veteranen Schmidt hat es sich bei den 68ern „um eine weit ausgreifende Massenpsychose gehandelt, an den amerikanischen Universitäten – sehr verständlicherweise – als Protest gegen den Vietnamkrieg beginnend, dann nach Frankreich und Berlin herüberschwappend, mit Mao-Bibeln als Symbol in der Hand, während zu gleicher Zeit unter dem gleichen Symbol im diktatorisch regierten China Mao Zedongs die gleichaltrigen jugendlichen Garden, psychotisch exaltiert, schändliche Verbrechen en masse begingen“. Inzwischen könne über die Verirrungen der 68er gelassen gesprochen werden, so Schmidt dann wieder milde: „Wichtig ist nur, was die damals Verirrten heute tun.“