Deutsches Geld für Kongos Krieg

von DOMINIC JOHNSON

Es ist der Stoff, der Firmenberichte zum Glänzen bringt. „Tantal heißt das Metall, ohne das heutzutage kein elektronisches Gerät mehr auskommt“, steht im Bayer-Geschäftsbericht für 2000. „Als feines Pulver dient es zur Herstellung leistungsstarker Elektrolyt-Kondensatoren, die in Handys, Personal-Computern oder CD-Spielern eingesetzt werden. Die Bayer-Tochtergesellschaft H. C. Starck produziert einen großen Teil des Weltbedarfs an diesem Spezialpulver – und ist damit sehr erfolgreich.“

Der Umsatz von H. C. Starck stieg von 1999 bis 2000 um 52,9 Prozent. Einer der wichtigsten Abnehmer für Starcks Tantalpuver ist die Siemens-Tochter Epcos. „2000 war für uns ein Rekordjahr und auch 2001 verspricht ein hervorragendes Jahr zu werden“, heißt es im jüngsten Geschäftsbericht des Unternehmens. „Wir haben beispielsweise auf dem Gebiet der Tantal-Kondensatoren unseren Umsatz verdreifacht, in Europa die Marktführerschaft erreicht und unsere Weltmarktposition von sieben auf fünf verbessert.“

Tantalkondensatoren sind das letzte Glied in einer Kette, die aus den Bergwerken Zentralafrikas bis zur High-Tech-Industrie Europas führt. Aus dem Rohstoff „Coltan“ – Abkürzung für Colombo-Tantalit, eine Kombination verschiedener Erze – wird Tantalum gewonnen, das in Form von Tantalpulver zur Herstellung von Kondensatoren verwendet wird, aber auch in anderen Bereichen, von der Raumfahrt bis zur Medizin, Anwendung findet. Hauptförderland für Tantalit ist Australien. Aber in keinem anderen Land spielt Tantal eine so große ökonomische Rolle wie in der Demokratischen Republik Kongo.

Im Kongo ist Coltan im Laufe des vergangenen Jahres die wichtigste Einnahmequelle der im Ostteil des Landes herrschenden Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) geworden. Die zügellose Ausbeutung von Coltan wie auch von anderen Rohstoffen ist nach Meinung von Experten die treibende Kraft hinter dem Krieg, der Armeen und Milizen aus sechs Ländern in den Kongo gelockt und das Land in mindestens drei Herrschaftsgebiete hat zerfallen lassen.

Woher der Tantalpulverhersteller H. C. Starck sein Tantal bezieht, sagt die Firma nicht. „Aus Wettbewerbsgründen“ könne man keine Auskunft über die Bezugsländer geben, so ein Firmensprecher. Dann gibt er doch Auskunft: „Zentralafrika gehört mit dazu“, sagt er, präzisiert aber: „Wir beziehen direkt aus Zentralafrika gar kein Material.“ Aber dass Händler, die in Deutschland Tantal anbieten, sich aus dem Kongo versorgen, könne man natürlich „nicht ausschließen“. Einige der im Kongo aktiven Händler sind offener und nennen H. C. Starck unter den deutschen Abnehmern ihres Produkts an erster Stelle. Genannt wird auch die BASF-Tochter Kraft.

Denn die explosionsartig gestiegene Nachfrage nach Tantalprodukten für Handys und andere Produkte der „Neuen Ökonomie“ hat den lange Zeit schläfrigen Weltmarkt für Tantal kräftig durcheinander gewirbelt. Die langfristigen Lieferverträge, die deutsche und US-amerikanische Hersteller an etablierte Produzenten wie die australische „Sons of Gwalia“ binden, reichen nicht mehr aus, seit die Nachfrage steigt. Die Händler kommen nicht nach: Die deutschen Einfuhren von Tantal-, Niob- und Zecon-Erzen wuchsen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 1999 und 2000 mengenmäßig zwar nur um 2,3 Prozent Prozent, wertmäßig aber um über 63 Prozent – von 92 auf 150,25 Millionen Mark. An der Londoner Metallbörse stieg der Tantalumpreis zwischen Februar 2000 und Januar 2001 von 75 auf knapp 400 Dollar pro Pfund. Die steigenden Preise führten zu einem Konzentrationsprozess, bei dem nur die zahlungskräftigsten Firmen noch zum Zuge kamen – und die damit verbundenen Aussichten auf fette Profite riefen zahlreiche Kleinhändler auf den Plan, die sich nach unkonventionellen neuen Bezugsquellen umsahen, etwa dem Kongo.

Für die Kongolesen ist die deutsche Rolle kein Geheimnis. „Es gibt viele Deutsche, die Coltan kaufen“, sagt RCD-Sprecher Kin-Kiey Mulumba. Die Ausfuhr läuft über das Nachbarland Ruanda, das Deutschland zu seinen engsten Verbündeten in Europa zählt. Um daran mitzuverdienen, gründete die RCD im November 2000 die Handelsfirma „Société Minière des Grands Lacs“ (Somigl), der sie das Exportmonopol für den Rohstoff reservierte. Ziel dabei war, den Coltanschmuggel durch ausländische Privathändler einzudämmen und ihre eigenen Einnahmen aus Zöllen und Steuern von 20.000 Dollar im Monat auf eine Million zu steigern.

Das klang gut, funktionierte aber nicht. Statt 100 Tonnen pro Monat verkaufte die Somigl im März nur 19 Tonnen, klagt RCD-Sprecher Kin-Kiey, und statt einer Million Dollar Einnahmen erzielte die RCD 190.000. Am 30. März verlor die Somigl ihr Exportmonopol. Jetzt herrscht wieder freie Bahn für alle – die Rebellen müssen den privaten Exporteuren hinterherlaufen.

Denn manche Händler waren nach der Somigl-Gründung auf den weniger straff kontrollierten Nordosten des Kongo ausgewichen, wo Uganda das Sagen hat und kein Handelsmonopol herrscht. So kauft die Hamburger „Barter Trade Handels- und Seafood GmbH“ (BHTS) kongolesisches Tantalit über ein Joint

Venture in Ugandas Fischereisektor und setzt dies „auch in Deutschland“ ab. „Die Preise sind wahnsinnig“, freut sich Marketingdirektor Marc-Oliver Pabst.

„Tantal erlebt in den letzten anderthalb bis zwei Jahren einen wirklichen Boom“, sagt der Mönchengladbacher Rohstoffhändler Ralph Born. „Die großen Konzerne stürzen sich mit ihrer Materialmacht auf die wenigen Vorkommen.“ Er selber kauft nach eigenen Angaben nicht im Kongo: „Da habe ich Bauchschmerzen. Es ist halt eine Rebellenregierung. Es ist grauenhaft, das Land wird ausgeblutet.“

Nicht nur in der Verarbeitung und im Handel sind Deutsche aktiv, sondern auch direkt in der Förderung. Eine der ältesten Minen, aus denen im Kongo Coltan gefördert wird, ist die Polychlor-Mine von Luheshe 70 Kilometer nördlich der RCD-Hauptstadt Goma. Sie wird von dem Deutschen Karl-Heinz Albers geleitet, einem Geologen, der lange für die Nürnberger „Gesellschaft für Elektrometallurgie“ arbeitete. Der GfE gehörten einst 70 Prozent der kongolesischen Bergbaufirma „Société Minière du Kivu“ (Somikivu), die die Mine von Luheshe früher betrieb. Der Anfang 2001 ermordete kongolesische Präsident Laurent Kabila vergab die Konzession Luheshe an ein Joint Venture des österreichischen Händlerehepaars Krall mit dem ugandischen Armeeoberst Otafiire. Jetzt streiten sich die Österreicher mit dem Deutschen darüber, wem die kongolesische Mine gehört.

An jeder Stelle der Tantalkette, die Kongos Kriegsgebiet mit den Handy-Herstellern Europas verbindet, sind also Deutsche zu finden. Die Kongolesen haben davon wenig. Zu Tausenden ziehen verarmte Kongolesen in die zum Teil von Milizen kontrollierten Minen. In einer Studie über die sozialen Auswirkungen des Coltanbooms schreibt das in Goma ansässige Pole-Institut, Bauern würden ihre Felder brachliegen lassen oder in ihnen nach Coltan graben, statt Lebensmittel anzupflanzen. „Folgen wie Jugendkriminalität, Rückgang der Einschulungsquote, Zunahme von Gewalt und Prostitution oder der Umstand, dass Männer mit Taschen voller leicht verdienten Geldes ihre Familien verlassen, belasten das bereits durch den Krieg betroffene soziale Gefüge.“

Die RCD-Behörden kümmern sich darum nicht. Der Händler Born meint: „Mir ist nicht bekannt, dass die Somigl in die Minen investiert. Die verdienen eine Höllenkohle und es gibt keinen Rückfluss.“ Seiner Meinung nach stehen Tantalum-Importeure in der Pflicht, zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Fördergebieten wie denen des Kongo beizutragen. Als Beispiel nennt er Nigeria, das ebenfalls große Tantalvorkommen hat: „Dort bieten wir den Bergleuten Wohncontainer an, eine geregelte Wasserversorgung oder einen vierteljährlichen Bonus als Unterstützung für die Familien. Oder Maschinen: Presslufthämmer statt Spitzhacken.“

Im Kongo ist von solchen Modernisierungen keine Rede. Immer wieder kommt es in den Minen zu Unfällen mit vielen Toten, wenn wieder einmal ein Stollen einstürzt. Und auch der Umstand, dass sich der Tantalpreis in London seit den Spitzenzeiten vom Jahresanfang 2001 nahezu halbiert hat, weil die USA einen Teil ihrer strategischen Reserven auf den Markt werfen, wird daran wenig ändern. „Keineswegs“ komme der Boom zum Stillstand, sagt ein Sprecher des Marktführers Epcos.

Die deutsche Firma weiß nämlich schon, was nach den Tantal-Kondensatoren kommt: Niob-Kondensatoren. „Mit Niob-Kondensatoren werden Werte erreichbar sein, die höchstkapazitative Tantal-Kondensatoren um den Faktor 2 bis 3 übertreffen“, trompetet der Konzern. Den Kongo braucht das nicht zu stören. Denn Niobium, auch Colombium genannt, ist der andere Bestandteil von Coltan.