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: Ein Reader erkundet die Geschichte der Schlösser Berlins

Aus Lust am Umbau

Die Berliner Hohenzollernschlösser, das sind: Schloss Grunewald, Schloss Charlottenburg, Schloss Bellevue, Schloss Schönhausen, Schloss Friedrichsfelde, Schloss Monbijou, Schloss Tegel, Jagdschloss Glienicke, Schloss Köpenick und natürlich das einst königliche, später kaiserliche Schloss zu Berlin, das so genannte Stadtschloss. All diese Prachtbauten waren in Besitz der Hohenzollern, einige mussten sie verkaufen, einige wollten sie verkaufen; einige haben sie gekauft, alle anderen erbaut; nahezu alle sind im zweiten Weltkrieg beschädigt oder zerstört worden. Im Ostteil der Stadt wurden die Ruinen oft gegen den Protest der kunstbeflissenen Öffentlichkeit vollständig abgetragen. Nun ist im Verlag Kai Homilius das Buch „Schlösser in Berlin“ über all diese Schlösser erschienen. Es ist mehr als nur ein Führer zu den touristischen Sehenswürdigkeiten.

Denn es schickt die Leser auch zum Schloss Monbijou, das heißt in die Wüste oder vielmehr ins Gras – dort, wo sich einst der königliche Prachtbau befand, steht nun ein inzwischen geschlossenes Kinderbad. Und außer einer Adalbert-von-Chamisso-Büste gibt es nichts mehr in der Grünanlage Monbijou, was noch an die königliche Zeit erinnert.

Die Autorinnen und Autoren der einzelnen Buchbeiträge versuchen recht geschickt, auf den knapp 20 Seiten, die ihnen jeweils zur Verfügung stehen, einen baugeschichtlichen und historischen Abriss zum Gebäude zu geben. Zugleich erzählen sie anregend von den Besitzerinnen und Besitzern, vor allem aber von den Besitzwechseln, die zumeist Umbaumaßnahmen mit sich brachten: Willhelm II. etwa ließ die Höfe des Stadtschlosses für die Bevölkerung sperren und nahm ihr damit eine schöne Wegabkürzung. Im Schloss Glienicke errichtete man ein Teehaus, von dem aus man, selbst relativ unsichtbar, gut die nahe liegende Chaussee beobachten konnte. Daher nannte man das Gebäude schalkhaft: „Die kleine Neugierde“. Und als 40 Jahre später eine neue, ebenfalls als Teehaus gedachte Rotunde in den Schlossgarten gebaut wurde, nannte man diese, der Gewohnheit halber, einfach „Die große Neugierde“.

Solange die Schlösser bewohnt waren, blieben sie im Wandel. Fand man sie schlecht, stieß man sie ab, und ein anderer reicher Mensch konnte darin seiner Herren- und Umbaulust frönen. Befand man sie für gut oder liebte man auch nur die Stelle, an der man sie vorfand, so ließ man einen Hofarchitekten die Fassade umgestalten, den Bau erweitern, verkleinern, aushöhlen – wie auch immer es dem Geschmack der Zeit gerade recht kam. Insofern war Ulbrichts Staatsrat der letzte klassische Schlossherr im Land der Hohenzollern, denn er ließ noch einmal im großen Stil die Fassaden schleifen, die Schlösser umfunktionieren oder gar abreißen, um einem neuen Palast Platz zu machen.

Im Westen aber – und seit dem Mauerfall im Osten – sind die Schlösser fast immer starr. Die Repräsentanzbauten sind ohne große Funktion, werden höchstens für Empfänge als historische Kulisse genutzt, harren ansonsten in ihren aufwendigen Parks aus und scheinen zu warten. Sie sind Monumente aus einer vergangenen Zeit, und sie stehen herum als kunstvolle Objekte für eine Sehnsucht, die auf sie projiziert wird. Staunende Menschen gehen durch sie hindurch und vergleichen die ausgestellte Pracht mit ihren Wohnzimmern. So lernen sie, was groß und was klein ist.

JÖRG SUNDERMEIER

Raimund Hertz (Hg.): „Schlösser in Berlin“. Kai Homilius Verlag, Berlin 2001, 260 Seiten, 24,80 DM