BMU saß mit Atom-Meßbehörden am Tisch

■ EU: Atombranche ist völlig undurchsichtig. AKW-Betreiber beschuldigen sich gegenseitig

Berlin (taz) – Die EU-Kommission treffe bei dem Versagen der staatlichen Aufsichtsbehörden in Sachen Atomtransporte keine Schuld. Christian Waterloos, Chef der Atomabteilung der EU-Kommission, erklärte gestern gegenüber der taz, der gesamte Nuklearsektor der EU sei „nicht transparent“. Die französische Atomaufsicht DSIN habe bei der Aufklärung der kontaminierten Transporte gute Arbeit geleistet.

Waterloos schloß nicht aus, daß noch weitere Einzelheiten über Fehler der AKW-Betreiber und Transportfirmen ans Licht kommen. „Wenn sie genau hinsehen, finden sie viele sicherheitstechnische Verbesserungsmöglichkeiten“, beschrieb er den Zustand der Atombranche.

Bislang gibt es keine Kooperation der EU-Staaten, weil die Sicherheit von Atomanlagen ausdrücklich als rein nationale Angelegenheit in den europäischen Verträgen festgeschrieben wurde. Auch die europäische Atombehörde Euratom erklärte sich für „nicht zuständig“. Ein hoher Vertreter der Behörde unterschied gestern zwischen offiziellem und inoffiziellem Wissen über Grenzwert-Überschreitungen. „Wir erfahren natürlich viel“, so der Vertreter kryptisch, „aber beschäftigen müssen wir uns natürlich nur mit den Dingen, für die Euratom zuständig ist.“

Inwischen bestätigte der französische Atomkonzern Framatome, daß seit 1992 eine Expertengruppe zum Bau eines neuen „Europäischen Druckwasserreaktors“ (EPR) arbeitet. In dieser Gruppe saßen neben dem französischen AKW-Betreiber EdF, der seit zehn Jahren über die Castor-Kontaminationen wußte, auch Abteilungsleiter des Bundesumweltministeriums (BMU). „So haben sich die deutschen Stromversorgungsunternehmen und EdF, Siemens und Framatome, die Sicherheitsbehörden BMU (Deutschland) und DSIN (Frankreich) sowie ihre Gutachterorganisationen GRS und IPSN zu einer Art der Zusammenarbeit zusammengefunden, die zu gemeinsamen Positionen und Entscheidungen führt“, erklärte 1995 Gerald Hennenhöfer, Chef der Atomabteilung des BMU und Angela Merkel direkt unterstellt. Von einem mangelnden Informationsfluß zwischen den Beteiligten kann offensichtlich keine Rede sein.

Vertreter verschiedener AKW- Betreiber und Nuklearindustriezweige bewerten den Skandal inzwischen als „großen Schaden für die Branche“. Offiziell wollten sich einzelne Reaktorbeteiber darum gestern nicht äußern. Absehbar sei ein interner Streit über die „mehr oder weniger schuldigen Betreiber“, so der Vertreter eines großen AKW-Betreibers. Peter Sennekamp