AKW-Betreiber kontrollieren sich selbst

Auch die Bundesländer tragen eine Mitschuld am Skandal um die Atomtransporte – Verfahren war mit Bund abgestimmt. Niedersachsens Grüne fordern staatliche Messungen statt der bisherigen Selbstkontrolle  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Beim Beladen der Castoren haben die Länder – und nicht der Bund – zu kontrollieren. Diesen Verweis auf die Mitschuld der Länder bei den Strahlenflecken auf Atommüllbehältern konnte sich Angela Merkel gestern nicht verkneifen. Ganz im Sinne der Bundesumweltministerin verlangte die hessische CDU gestern gleich eine Sondersitzung des Landtagsumweltausschusses. Dort soll die rot-grüne Landesregierung Rechenschaft ablegen. Mit herzlichen „Willkommen im Club der Atomkraftgegner“ begrüßte darauf der grüne Fraktionschef Alexander Müller die CDU. Fakt aber ist, daß sich Bund und Länder vor zehn Jahren auf das jetzige Verfahren geeinigt haben – nämlich die Selbstkontrolle der Betreiber. Sobald der „Castor“ rollt, ist der Bund allein zuständig.

Dennoch: Auch die Kontrolle beim Beladen liegt im argen, urteilt die niedersächsischen Grünen-Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms, und zwar in allen Bundesländern. Sie verlangt nun staatliche Messungen.

Bisher werden die für Frankreich oder England beladenen Transporte von den Betreibern selbst durchgemessen. Auch auf Außenkontaminationen per Wischtest prüfen sie allein. „Wir kontrollieren nur die Meßprotokolle, die die Betreiber nach dem Beladen gefertigt haben“, beschreibt eine Sprecherin des niedersächsischen Umweltministerium den Part der Behörden. Die Transport von abgebrannten Brennelementen ins Ausland haben man schließlich bisher als Routine betrachten können.

Nach Angaben von Rebecca Harms geht die Praxis der eigenen Messungen der AKW-Betreiber letztlich auf den Transnuklear- Skandal zurück, bei dem vor zehn Jahren im Zusammenhang mit Falschdeklarierungen von deutschen Atommüll in einer belgischen Anlage auch hohe Bestechungsgelder gezahlt wurden. Damals hätten sich Bund und Länder mit den Betreibern auf eine verstärkte Eigenkontrolle in den Kraftwerken geeinigt, sagt Harms. Anschließend hatte die Betreiberseite vollmundig behauptet, alle Kontrollücken seien beseitigt.

Die niedersächsische Grünen- Fraktionschefin glaubt der Zusicherung der Aufsichtbehörden nicht, sie hätten über zehn Jahre nichts mitbekommen. Niedersachsens Umweltministerium will die Verantwortlichen für die Kontrolle der Castoren nach Hannover zitieren und sie dort befragen. Haben sie von den radioaktiven Flecken gewußt, steht ihre Zuverlässigkeit im Sinne des Atomgesetzes und damit ihr Job in Frage.