Atomlobby: Fehler sind menschlich

■ Dem Atomforum und seinen Mitgliedsfirmen tut die Castor-Panne zwar „außerordentlich leid“, sie wollen sich dennoch nicht „jeden Tag“ bei Ministerin Merkel entschuldigen müssen. Schmidbauer wirft ihnen „Schindluder“ vor

München/Berlin (taz) – Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer ging gestern mit harten Worten auf die Atomindustrie los: Sie habe das in sie gesetzte Vertrauen verspielt. Jahrelang habe die Industrie „Schindluder“ mit den Behörden getrieben, weil sie die Informationen über verstrahlte Castoren nicht weitergegeben habe, sagte er gestern vor dem Deutschen Atomforum in München.

Doch die Atomindustrie will nicht länger den Prügelknaben spielen. Zwar entschuldigte sich der Präsident des Deutschen Atomforums, Wilfried Steuer, in seiner Eröffnungsrede wortreich bei Merkel – es tue ihm „persönlich ganz außerordentlich leid“. Doch anschließend ging er auf Distanz: Er könne sich nicht „jeden Tag“ bei Merkel entschuldigen. Wo Menschen seien, passierten eben Fehler – „nur leider werden sie bei der Kernenergie immer hochgespielt“. Die Regierung solle der Industrie das Vertrauen nicht entziehen. Schließlich hätten die Vorstände der Unternehmen ebenfalls nichts von den verstrahlten Transporten gewußt. Lediglich die Techniker in den AKWs hätten davon Kenntnis gehabt.

Derweil gingen die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) noch weiter: Von Vertuschung könne keine Rede sein. Die HEW hätten schon Ende der Achtziger den zuständigen Fachbeamten des schleswig-holsteinischen Energieministeriums über das Problem mündlich informiert. Das Kieler Ministerium entgegnete, eine mündliche Unterrichtung wäre in so einer Sache wohl kaum angemessen. Im Ministerium hält man die Angaben für eine Schutzbehauptung. Niemand könne sich an eine Meldung erinnern.

Niedersachsens Ex-Umweltministerin Monika Griefahn wandte sich gegen den Versuch Merkels, den Ländern eine Mitschuld zu geben. Sie habe mehrfach Transporte wegen Sicherheitsbedenken untersagen wollen. „Mindestens elfmal habe ich Weisungen der Ministerin Merkel bekommen, sie trotzdem durchzuführen“, sagte Griefahn der taz. Die so Gescholtene traf sich gestern in Straßburg mit ihrer französischen Amtskollegin Dominique Voynet. Sie vereinbarten eine Arbeitsgruppe, die für die Sicherheit künftiger Atomtransporte sorgen soll. S. Kuzmany/M. Urbach Berichte Seite 2