„Keine Ahnung von Computern“

■ Hans-Christian Schmid zu „23“ und dem Risiko, ein Hacker zu sein

taz: Wir sind hier bei einem Treffen des Chaos-Computer- Clubs. Der Hackervirus scheint sie infiziert zu haben.

Hans-Christian Schmid: Wenn ich mir das hier ansehe, sind das schon Leute, die ein bißchen anders ticken. Ich selbst hatte mit Computern und Hackern nie etwas zu tun. Erst durch die Arbeit am Film habe ich Kontakt bekommen zum CCC, der von Anfang an versucht hat, uns zu helfen und die Ereignisse von damals zu erklären. Die Illuminaten und die Verschwörungstheorien dagegen waren früher in meinem Freundeskreis durchaus Thema. Robert Wilsons Roman „Illuminatus!“, den Karl 30- bis 40mal gelesen hat, habe ich damals auch gelesen, so wie andere „Per Anhalter durch die Galaxis“ gelesen haben. Die Suche nach der 23 funktioniert ganz gut, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat. Heute mittag saßen wir beim Essen, bekamen die Quittung und hatten Tisch Nr. 23.

Ist der Name Karl Koch hier noch ein Begriff?

Ja! Das ist seine Szene. Im Saal sitzen mindestens 10 bis 20 Leute, die ihn gekannt haben, seine Schwester, seine ehemalige Freundin, seine Kumpels, die auch im Film auftauchen. Für die ganze Szene ist die Sache damals immer noch sehr heiß, und die Emotionen gehen immer noch hoch.

Ähnlich wie hier beim allgegenwärtigen Fall „Tron“, dem 26jährigen Hacker, der im Oktober erhängt in einem Neuköllner Park gefunden wurde. Auch hier sind die näheren Umstände ungeklärt. Ist Hacken immer noch gefährlich, ein subversives Politikum?

Hacken ist immer noch ein Politikum, weil die Computerindustrie so wahnsinnig wichtig geworden ist und boomt und wächst mit all ihren Verästelungen. Auf diesem Kongreß ist Thema, in welche Spannungsfelder ein Hacker wie „Tron“ heutzutage kommen kann. Da geht es um Pay-TV, Telefonkarten und Mobiltelefone. Ich glaube, die Aufgabenfelder haben sich etwas verlagert. Man hat in der Öffentlichkeit ein Bewußtsein geschaffen, man weiß, wer Hacker sind und was Hacker machen. Jetzt geht es etwa darum, jemanden wie „Tron“ zu schützen, indem man ein Wissen von ihm in der Gruppe, im Club, aufhebt. Allerdings sehe ich „Tron“ anders als Karl, weil er offenbar keine labile Person war. Karl war jemand, der, seit er 15 war, Beruhigungsmittel genommen hat und der Freunden gegenüber mehrfach Selbstmordabsichten geäußert hat. Auch wenn es verschiedene Theorien gibt, glaube ich daher bei Karl doch eher an den Selbstmord. Bei „Tron“ ist das schwer zu glauben.

Filme über Menschen am Computer sind meist unerträglich langweilig. Was war Ihnen bei der schwierigen Umsetzung rein virtueller Zusammenhänge wichtig?

Wichtig war für Koautor Michael Gutmann und mich, daß wir nie aus den Augen verlieren, daß es ein Film für ein Laienpublikum werden sollte. Wir haben es tatsächlich ausgenutzt, daß wir beide keine Ahnung von Computern hatten, und haben uns überlegt, wie wir Szenen, in denen es wirklich um Computer geht, so gestalten, daß sie verständlich sind. Daher etwa die Erklärung einer Paßwortsuche mit einer Keksdose und einer Zigarettenschachtel. Andererseits sind die Computer und Bildschirmoberflächen, die im Film zu sehen sind, originalgetreu. Ich finde nicht, daß es ein Film über Computer ist, sondern ich sehe mich als jemanden, der gerne Geschichten erzählt, und ich hatte das Gefühl, daß das, was ich über Karl Koch in der Zeitung gelesen hatte, eine erzählenswerte Geschichte ist, weil bestimmte Dinge nie geklärt wurden oder in der Öffentlichkeit unbemerkt geblieben sind. Im Film geht es mehr um Freundschaft und um ein Lebensgefühl als um Computer.

Was hat die Jagd auf die Weltverschwörer mit dem konkreten politischen Hintergrund des Films, den 80er Jahren, zu tun?

Karl Koch war jemand, der damals eine Schülerzeitung gemacht hat, so wie ich damals auch. Wir haben in Wackersdorf demonstriert, er hat in Brokdorf demonstriert. Er war Mitglied in der SPD, hat sich politisch engagiert. Diesen Weg ist er durchaus gegangen. Beim Hacken muß dann etwas gewesen sein, das ihm vielleicht auf einer größeren Ebene ein Engagement ermöglicht hat. Seine Freunde, die mit ihm an den Kisten saßen, haben gesagt, er hat versucht, den Roman „Illuminatus!“ zu leben. Neugier, ein Abenteuertrieb und die sich damals formierende Hackerszene boten Möglichkeiten, dieses Abenteuer auszuleben, zu erkunden, was da ist am Ende der Leitungen, und das mit seiner eigenen Phantasie zu verknüpfen, eben mit Illuminaten, Weltverschwörung und Pentagon. Sich politisch zu engagieren ist ja sehr hart, man muß sich da langsam hocharbeiten, das ist etwas anderes, als sich gleich ins Netz zu begeben und an die Pforte des Pentagons zu klopfen. Aber Karl und seine Freunde haben auch „Wargames“ gesehen, und man hört auch Aussagen wie „Die haben ,Wargames' gesehen und wollten es nachmachen.“ Interview: Philipp Bühler