„Terrorist“ aus US-Knast entlassen: „Ökoterror“ auf Geheiß des FBI

Fast zehn Jahre war Eric McDavid wegen „Ökoterror“ im Gefängnis. Nun wurde er freigelassen, weil eine Agentin ihn erst zur Tat drängte.

Nach zehn Jahren wieder frei: Umweltaktivist Eric McDavid. Bild: ap

NEW YORK taz | Eric McDavid strahlt über das ganze Gesicht, als er das Gefängnis in Sacramento verlässt. 9 Jahre und 362 Tage hat er gesessen. Jetzt streichelt er die Hand der Freundin, die neben ihm sitzt. Ihr und anderen Unterstützern verdankt der 37-Jährige, dass er 11 Jahre vorzeitig entlassen wurde. Dank ihrer musste die US-Regierung letzte Woche zugeben, dass sie Beweisstücke zurückgehalten hat, die McDavid entlasten. Das Ganze soll ein „Versehen“ gewesen sein.

McDavid hat nie eine Bombe gelegt. Trotzdem wurde er 2008 wegen „ökoterroristischer Verschwörung“ zu 19 Jahren und 7 Monaten Gefängnis verurteilt. Er soll Attentate – unter anderem gegen den Nimbus-Staudamm in Kalifornien, gegen Handy-Übertragungsmasten und gegen Forschungslabors – geplant haben. Hätten die heutigen Dokumente damals bereits vorgelegen, wäre er nicht verurteilt worden, ist McDavids Verteidiger Ben Rosenfeld überzeugt: „Sie zeigen, dass ihm eine Falle gestellt wurde.“

Fast alle Dokumente sind Briefe, die McDavid mit einer vermeintlichen Umweltaktivistin wechselte. Als die beiden sich kennen lernten, trug sie knallrosa gefärbtes Haar, ein Palästinensertuch und eine Tätowierung. Der Anarchist und Umweltaktivist McDavid hatte das Pech, sich in sie zu verlieben.

Die 17-jährige „Anna“ war eine Agentin des FBI. Sie hatte die Aufgabe, die radikale Umweltgruppe Earth Liberation Front (ELP) zu infiltrieren. Sie trommelte drei AktivistInnen der ELP an weit voneinander entfernten Orten der USA zusammen. Sie schlug ihnen „Aktionen“ vor, sie hatte Geld und sie besorgte eine Unterkunft.

Wenn die drei Umweltaktivisten unentschlossen waren oder bremsten, wurde „Anna“ ungeduldig und schimpfte. In einem vom FBI verwanzten Auto kutschierte sie zwei UmweltaktivistInnen quer durch die USA bis nach Kalifornien zu McDavid. Ihm schrieb sie, dass erst „Aktionen“ erledigt werden müssten. Danach sei auch eine romantische Beziehung möglich. Kurz bevor die von ihr organisierte „Terrorzelle“ aufflog, lieferte „Anna“ auch Material, das angeblich für den Bombenbau taugte. Es kam direkt vom FBI.

Ohne FBI keine Verschwörung

Für die eineinhalb Jahre, während derer „Anna“ versuchte, die drei Umweltaktivisten zur Tat zu drängen, kassierte die Agentin 65.000 Dollar vom FBI. Im Prozess verhinderte ihr Auftraggeber, dass ihre Aussagen mit einem Lügendetektor geprüft wurden. Das FBI bestritt auch, dass es die Liebesbriefe, nach denen die Verteidigung schon damals verlangte, überhaupt gab. Heute ist bekannt, dass das FBI die angeblich inexistenten Briefe benutzte, um aus ihrer Analyse „Einblicke in das Verhalten von McDavid“ zu bekommen.

Eingeschüchtert von der massiven Strafandrohung, entschieden die beiden anderen Angeklagten, sich ohne Prozess als „schuldig“ zu bekennen und gegen McDavid auszusagen. Im Gegenzug erhielten sie kürzere Haftstrafen. McDavid lehnte ein Schuldbekenntnis ab und wurde zu der damals höchsten Strafe gegen einen „Ökoterroristen“ verurteilt. „Ohne das FBI hätte es keine Verschwörung gegeben“, sagt Verteidiger Rosenfeld zur taz.

Es waren die Jahre direkt nach den Attentaten vom 11. September 2001. Die US-Ermittler konzentrierten sich auf den Terrorismus. Darunter subsumierten sie auch Sabotageakte von Öko-Aktivisten gegen quälerische Tierhaltung und gegen klimaschädliche Rodungen. Vorschläge aus dem Justizministerium, solche Vergehen aus der Terrorismusabteilung auszulagern, lehnte das FBI ab.

McDavids Freundin Jenny Esquivel, die neun Jahre lang dafür gearbeitet hat, die FBI-Dokumente zu bekommen, freut sich, ihn in den Armen zu halten. Aber in ihrem Dankesbrief an die anderen Unterstützer schreibt sie auch: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Erics Fall nur einer von vielen ist – und nicht einmal der ungeheuerlichste. Hunderte Menschen, darunter eine Mehrheit von Muslimen, sitzen aus religiösen und politischen Gründen im Gefängnis.“

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