Bundesregierung verurteilt: Gesetzeswidrig klimaschädlich

Jetzt ist auch gerichtlich bestätigt, was eigentlich schon alle wussten: Die Ampel-Koalition hält sich nicht an das Klimaschutzgesetz.

Volker Wissing (FDP), Bundesverkehrsminister, spricht mit gefalteten Händen in Leipzig

Verkehrsminister Wissing bei der Fürbitte um das Wohl der Autoindustrie Foto: Jan Woitas/dpa

Die Ampel-Regierung muss ihre Klimapolitik neu aufstellen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat nach zwei Klagen der Deutschen Umwelthilfe geurteilt: Die bestehenden Klimaschutzprogramme der Bundesregierung sind rechtswidrig und müssen nachgebessert werden. Sie reichen nicht aus, um die Ziele aus dem Klimaschutzgesetz zu erreichen, mit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden will.

Juristisch ist das ein großer Erfolg für die Umwelthilfe. Die Sache ist aber: Eigentlich wissen natürlich schon alle, dass die Bundesregierung sich nicht an das Klimaschutzgesetz hält. Auch die Bundesregierung selbst. Schon bei der ersten Vorstellung des letzten Klimaschutzprogramms im vergangenen Juni räumte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ein, es bleibe eine Lücke zu den Klimazielen für 2030 bestehen.

Dann sollen die Emissionen eigentlich um 65 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Klappt aber nicht. Im Wesentlichen, sagte Habeck damals offen, wegen des Verkehrssektors. Die FDP, so der Subtext, ist eben nicht bereit, endlich den klimaschädlichen Autoverkehr zu reduzieren. Diese Diagnose haben seitdem zahlreiche Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen und Ex­per­t*in­nen gestellt. Der Expertenrat für Klimafragen, der laut Klimaschutzgesetz solche Regierungsprogramme prüft, kam sogar schon zu dem Schluss, dass die Regierung ihre Leistung wahrscheinlich noch überschätze.

Noch unklar ist, ob die Ampel-Regierung nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Revision geht. Jedenfalls werkelt sie gerade nicht an einem vernünftigen Klimaschutzprogramm für den Verkehr – sondern im Gegenteil an der Entkernung des Klimaschutzgesetzes. Sie ist damit fast fertig. Der Bundestag hat die Reform schon beschlossen. Und der Bundesrat hat am Freitag darauf verzichtet, Gesprächsbedarf anzumelden, also einen sogenannten Vermittlungsausschuss einzuberufen.

Rechenspielchen mit dem Klima

Die Bundesregierung will in Zukunft Klimaschutz in einer jahres- und sektorenübergreifenden Gesamtschau betrachten. Das klingt gut – dahinter steckt aber der Abschied von jeglicher Verbindlichkeit für die einzelnen Regierungsmitglieder.

Bislang ist es so: Das Klimaschutzgesetz setzt CO₂-Grenzwerte für jedes Jahr und verschiedene Wirtschafts- und Lebensbereiche wie Energie, Verkehr, Gebäude oder Landwirtschaft. Werden diese verfehlt, wie zuletzt bei Verkehr und Gebäuden, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm vorlegen.

Stattdessen will die Regierung künftig Rechenspielchen anstellen dürfen: Verursacht zum Beispiel der Energiesektor weniger CO2 als gedacht – und sei es nur, weil wie zuletzt durch eine Wirtschaftsflaute weniger Energie gebraucht wurde -, darf dafür beispielsweise der Verkehrssektor klimaschädlicher sein als ursprünglich vorgesehen.

Das wäre egal, wenn alle Mi­nis­te­r*in­nen mit Hochdruck am Klimaschutz arbeiten würden. Dann gäbe es mal hier und da zufällige Schwankungen zwischen den Sektoren. Nicht wild. Aber das ist eben nicht so: Im Verkehrsministerium herrscht eine demonstrative Verweigerungshaltung, was die Senkung der Emissionen angeht. Das war unter Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer (CSU) so, das ist jetzt unter Volker Wissing (FDP) nicht anders. Das neue Gesetz macht es einfacher, so etwas zu kaschieren.

Selbst wenn die Klima-Gesamtbilanz nicht stimmt, müsste nach der geplanten Reform übrigens nicht direkt nachgesteuert werden. Erst wenn der jährliche Projektionsbericht des Umweltbundesamts zweimal in Folge ergibt, dass die Klimaziele für das gesamte Jahrzehnt in Gefahr sind, muss die Regierung ein Sofortprogramm vorlegen.

Aufhalten könnte das noch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen der fordern ihn dazu auf, seine Unterschrift zu verweigern. Das darf er allerdings nicht einfach auf Basis der eigenen politischen Ansichten, sondern nur bei offenkundigen verfassungsrechtlichen Bedenken. Gibt es die denn?

Fern läge es jedenfalls nicht. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung – damals noch die Große Koalition – schon einmal zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes gezwungen. Ob die Rich­te­r*in­nen in Karlsruhe jetzt eine Aufweichung akzeptieren würden, ist zumindest fraglich.

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