Allzeithoch politischer Gewalt: Zeit für klare Maßnahmen

Es braucht die Zivilbevölkerung im Kampf gegen politische Gewalt. Und ein schärferes Vorgehen gegen die Täter.

Ein FDP-Wahlplakat zur Europawahl 2024 mit den Augen von Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmerman

Nicht Gras drüber wachsen lassen, sondern entschlossen handeln Foto: Christoph Hardt/imago

Die Zahlen kommen nicht überraschend, aber sie bieten allen Grund zur Beunruhigung. Die politischen Straftaten liegen nach dem Rekordjahr 2023 auf einem neuen Allzeithoch. Rechte Delikte stiegen deutlich an und liegen weit vorn. Im Internet gibt es für Hass kaum Schranken, Wahlkämpfende werden attackiert. Und der Nahostkonflikt sorgte für Straftaten auch auf hiesigen Straßen.

Die Zahlen erden zunächst einige Debatten: Sie unterstreichen, dass der Rechtsextremismus die größte Gefahr bleibt, die meisten Gewaltdelikte kommen von dort. Sie zeigen, dass auch der Antisemitismus weiter vorrangig aus dieser Ecke kommt. Vor allem aber sind die Zahlen Alarmsignale. So ist es eine irrige Annahme, dass es ob der deutschen Geschichte hierzulande größere Abwehrkräfte gegen Antisemitismus gibt. Das Vertrauen in die Demokratie schwindet, Polarisierungen greifen um sich.

Und immer mehr Menschen fühlen sich ermächtigt, auch Gewalt für ihre politischen Zielen einzusetzen. Es ist schnell die Rede von einer ernsten Lage – die haben wir jetzt. Natürlich fordert das zuerst die Zivilgesellschaft: Sie muss, wo sie kann, dem Hass Einhalt gebieten. Es ist ermutigend, dass zuletzt Zehntausende genau dies ja taten und für die Demokratie auf die Straße gingen. Nun ist aber auch der Staat gefordert.

Und es ist nicht falsch, wenn er Härte gegen die Gewalt zeigen will – nur sollte er es an der richtigen Stelle tun. Statt die Versammlungsfreiheit zu stutzen, gibt es anderswo genug zu tun: Immer noch gibt es zu viele Rechtsextreme mit Waffen oder offenen Haftbefehlen. Das Demokratiefördergesetz, seit zehn Jahren versprochen, ist bis heute nicht in Kraft. Immer noch dauert es oft zu lange, bis nach politischer Gewalt Tatmotive anerkannt und Urteile gesprochen werden.

Gewiss, das bedeutet mehr Stellen für Justiz oder Polizei – die den Sparansagen des Finanzministers entgegenstehen. Doch wenn es die Regierung in diesen Zeiten bei anerkennenden Worten der Demokratieproteste belässt und folgenlose Aktions­pläne vorlegt, dann ist das eben zu wenig.

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Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort, seit 2014. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Bis 2014 vier Jahre lang Teil des Berlin-Ressorts der taz. Studium der Publizistik und Soziologie.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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