Mehr Kohlekraft gegen die Hitze

Italien leidet an Strommangel und erwartet wegen der Klimaerwärmung in Zukunft regelmäßig solche Engpässe. Die Regierung will neue Kraftwerke bauen, die Kohle und Öl verbrennen – und dadurch Temperaturen weiter anheizen

aus Rom MICHAEL BRAUN

Nachts die Waschmaschine laufen zu lassen, das garantiert meist Ärger mit den Nachbarn. Nicht so in Italien: Da kann sich der Übeltäter jetzt auf Weisungen von ganz oben berufen. Schließlich ist es die Regierung, die ihre Bürger offiziell dazu aufruft, ihre Haushaltsgeräte in den verbrauchsarmen Nachtstunden in Bewegung zu setzen. Mit gutem Grund: Energie entpuppte sich in den letzten Wochen als knappes Gut.

Verantwortlich ist einerseits das Klima. Italien erlebt einen der heißesten Sommer seit Menschengedenken, obwohl schon in den Vorjahren immer wieder Rekorde geschlagen wurden. Das befördert einerseits die umweltpolitische Debatte über den Klimawechsel und seine langfristigen Folgen: das Vordringen von Wüstenlandschaften, die Versteppung weiter Zonen auch im Norden des Landes, die Erwärmung des Mittelmeers, die wiederum tropische Unwetter nach sich ziehen kann.

Andererseits sind die Folgen bei der Energie schon heute fühlbar. Denn während der Verbrauch in diesem Sommer dank des Betriebs von Klimaanlagen auf sonst nur im Winter erreichte Spitzenwerte hochschießt, schrumpfen die Liefermengen. Weil die Zuflüsse wegen der Hitze derzeit nur tröpfeln, laufen die Wasserkraftwerke in den Gebirgen stark gedrosselt, aber auch die auf Kühlwasser angewiesenen, mit Öl, Kohle oder Gas betriebenen Kraftwerke müssen oft ihren Betrieb einschränken, da die Flussläufe Niedrigststände erreichen.

Wie knapp sich Italien am Limit bewegt, zeigte sich am 26. Juni. Da wurde rotierend für je 90 Minuten quer durchs ganze Land ohne Vorankündigung der Strom abgeschaltet. Seitdem verkünden die Nachrichten regelmäßig: „morgen Blackout-Gefahr“, versprechen aber immerhin eine Vorwarnzeit von einer halben Stunde.

Folgen zieht Wirtschaftsminister Antonio Marzano auf seine Weise: Er fordert vom Parlament nicht nur den Bau dutzender neuer Kraftwerke, die mit der Verbrennung von Kohle oder Öl den Treibhauseffekt weiter verstärken, obwohl Italien schon jetzt weit von der Erreichung der Kioto-Ziele entfernt ist. Seit 1997 stieg der CO2-Ausstoß um 1,5 Prozent. Zugleich will der Minister die Gewinnung von Energie aus Müllverbrennung unter „Nutzung erneuerbarer Energiequellen“ rubrifizieren und so ökologisch adeln.

Äußerst wenig passiert dagegen weiterhin bei der Produktion von umweltbekömmlicher Energie. Bloß 800 Megawatt gewinnt Italien aus Windanlagen – zum Vergleich: Deutschland erreicht über 13.000 Megawatt –, und die Zuwächse auf diesem Feld sind mit Neuinstallationen von 100 Megawatt jährlich äußerst bescheiden. Nicht besser ist die Situation bei der Sonnenenergie. Thermische (zur Gebäudeheizung und Wassererwärmung genutzte) Solarenergieanlagen kommen in Italien auf insgesamt installierte 400.000 Quadratmeter; in Deutschland werden in einem Jahr größere Flächen abgedeckt. Und erst seit 2001 werden photovoltaische Solaranlangen zur Stromerzeugung gefördert; obwohl die Sonne kräftig scheint, erreicht Italien eine Produktion von gerade einmal 20 Megawatt (Deutschland: 350, Japan: 1.200). An den Bürgern liegt das nicht: Sie gaben reichlich Anträge auf Förderung bei den zuständigen Regionalverwaltungen ab, doch nur 15 Prozent der Antragsteller kamen zum Zug – dann waren die Fördertöpfe leer.

Umweltverbände fürchten, dass sich an dieser Situation nichts ändern wird, solange die Regierung den Ausweg im Bau weiterer traditioneller Kraftwerke und in der Förderung der Müllverbrennung sucht.