Energieminister vertagen Strompreiszonen: Deutsche Teilung aufgeschoben

Die Konferenz der En­er­gie­mi­nis­te­r*in­nen hat das Thema Strompreiszone ausgespart. So geht weiter sauberer Strom verloren.

Windräder drehen sich hinter Stromleitungen bei grauem Himmel

Sollen seltener abgeregelt werden: Windräder im Norden Foto: Marcus Brandt/dpa

KIEL/BREMEN taz | In Norddeutschland, wo Windräder mehrere tausend Stunden im Jahr große Mengen an sauberer Energie liefern – dort, ausgerechnet, ist der Strom für die Menschen in Deutschland am teuersten.

Das Missverhältnis ist 2023 einer größeren Öffentlichkeit bewusst geworden. Der Grund für die ungerechte Verteilung: Wo neue, große Windkraftanlagen entstehen, muss das Stromnetz ausgebaut werden. Die Kosten dafür werden über die Netzentgelte bezahlt, aber nicht von allen Ver­brau­che­r*in­nen gleichmäßig, sondern nur dort, wo der Strom entsteht.

Eine ernsthafte Debatte um eine Lösung hatten sich manche von der Energieministerkonferenz vergangene Woche in Kiel erhofft: Gastgeber Tobias Goldschmidt (Grüne), Energiewendeminister von Schleswig-Holstein, hatte zuvor wiederholt ein neues Strompreismodell gefordert: Deutschland solle geteilt werden – in zwei verschiedene Strompreiszonen, Nord und Süd.

Von Mittwoch bis Freitag trafen sich die Fachmi­nis­te­r*in­nen der Länder und des Bundes in Kiel, um verschiedene Themen der Energiewende zu debattieren. In der Ankündigung zur Konferenz hatte es noch geheißen, sie solle sich auch um „ein Konzept für das künftige Strommarktdesign“ drehen. Zum Auftakt hatte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Ulrike Täck, kritisiert, dass eine einheitliche Strompreiszone die aktuelle Situation nicht mehr abbilde: „Heute wird der Strom vor allem im Norden produziert und im Süden verbraucht.“

Thema gar nicht debattiert

Eingelöst wurde das Versprechen auf eine Debatte geteilter Strompreiszonen auf der Konferenz nicht: Goldschmidts Forderung wurde gar kein Thema in Kiel. „Schleswig-Holstein will den geteilten Strompreismarkt natürlich immer noch“, so eine Pressesprecherin seines Ministeriums. „Aber als Gastgeber haben wir uns mit eigenen Anträgen zurückgehalten.“

Der Widerstand gegen die Idee eines geteilten Strommarktes ist vor allem in Bayern groß. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte 2023 den Industriestandort Deutschland in großer Gefahr gesehen. Ein geteilter Strommarkt würde Süddeutschland wohl etwas schlechter stellen. Die Netzentgelte würden zwar immer noch dort zu Buche schlagen, wo der neue Strom angeschlossen werden muss; aber gleichzeitig würde das größere Angebot an Strom pro Ein­woh­ne­r*in im Norden den Preis für die Kilowattstunde senken. Süddeutschland hingegen müsste in manchen Stunden mehr zahlen.

Der finanzielle Ausgleich zwischen Nord und Süd wird wohl anders erreicht: Die Bundesnetzagentur arbeitet aktuell an einer Reform des Netzentgelts: Ein Großteil davon solle in Zukunft auf alle Ver­brau­che­r*in­nen umgelegt werden, heißt es in einem neuen Entwurf von vergangener Woche. Nennenswerter Widerstand gegen die Reform ist bisher nicht zu sehen.

Warum also erregt ein geteilter Strommarkt die Gemüter so sehr? Tatsächlich hätten geteilte Strompreiszonen noch weitere Effekte. Unter anderem könnten sie helfen, den sogenannten Re-dispatch zu vermeiden.

Der Wind an der Küste sorgt dafür, dass in Norddeutschland zu mancher Stunde sehr viel günstiger Strom produziert wird. Wenn die großen Abnehmer aus der Industrie in Süddeutschland den billigen Strom anfordern, müsste der Nordstrom eigentlich den Weg durch die Leitungen bis nach Bayern und Baden-Württemberg antreten. Das aber könnte das deutsche Stromnetz überlasten.

In solchen Situationen wird heute vorsichtshalber ein „Re-dispatch“ vorgenommen: Die norddeutschen Windkrafträder werden gezwungen, ihre Produktion herunterzufahren, während gleichzeitig im Süden beispielsweise ein Gaskraftwerk seine Produktion hochfahren muss. Mittlerweile, so schreibt das Bundeswirtschaftsministerium, muss fast täglich eine solche künstliche Drosselung vorgenommen werden. Der Schaden trifft die Allgemeinheit: Sauberer Strom geht dem Netz verloren, bevor er überhaupt produziert wird.

Günstiger Nordstrom könnte Speichertechnik pushen

Durch eine Teilung des Strommarktes dürfte Süddeutschland bei überlastetem Netz nicht mehr auf den günstigen Nordstrom zugreifen. Der Strom bliebe in Norddeutschland – und so könnte es sich für In­ves­to­r*in­nen lohnen, hier Batteriespeicher und Elektrolyseure für grünen Wasserstoff zu errichten, Technologien also, die auf überschüssige grüne Energie angewiesen sind.

Die Energieminister haben stattdessen auf ihrer Tagung mehr Geld vom Bund für die Wärmewende-Planung gefordert. Angerissen wurde auch die Idee eines Energiewendefonds, mit dessen Hilfe Energieversorger ihre Investitionen mit einer Mischung aus öffentlichem und privatem Kapital finanzieren können sollen.

Bemerkenswert ist noch ein einstimmig gefasster Beschluss, der auf den ersten Blick unscheinbar wirkt: Danach sollen „die erneuerbaren Energien nicht mehr systematisch gegenüber den fossilen benachteiligt werden“. Helfen solle dabei auch ein „robuster CO₂-Preis“. Ein solch „klares Bekenntnis, erneuerbare Energien besserzustellen, fehlte bislang von Bayern“, sagt eine Sprecherin von Schleswig-Holsteins Umwelt- und Energiewendeministerium.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.