Italiener kaufen Billionen Lire

aus Rom MICHAEL BRAUN

So richtig eilig mit der Umstellung aufs neue Geld hatte es in Rom nur einer: ein Fahrkartenautomat der städtischen Busgesellschaft. Vor den entgeisterten Augen der Passanten spuckte er schon am 30. Dezember den gesamten Vorrat an Lira-Münzen aus, bis 20 Kilo Hartgeld auf der Straße lagen.

Anders als der übereifrige Apparat hielten es die Italiener: Just zum Abschied von ihrem Nationalgeld deckten sie sich noch mal so richtig mit Lire ein. Am letzten Wochenende des alten Jahres wurden 2,2 Billionen Lire (etwa 1,14 Mrd. €/2,23 Mrd. DM) an den Geldautomaten gezogen – eine glatte Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr.

Nostalgische Wallungen sind kaum der Grund für die Gier auf Lire. Die Kundschaft trieb die sehr praktische Sorge um, im neuen Jahr ohne Cash dazustehen. Denn zunächst hatten die Banken vollmundig versprochen, noch in der Neujahrsnacht würden alle Geldautomaten umgerüstet. Dann aber ruderten die Institute zurück, redeten nur noch davon, „die meisten“ Automaten stünden sofort bereit, und gaben immer neue Stichtage bekannt: den 2., dann den 6., schließlich den 15. Januar, an dem garantiert allüberall der Eurosegen aus dem Automaten kommen soll.

Am 1. Januar jedenfalls lagen im Stadtviertel des taz-Korrespondenten die meisten Automaten einfach still. Nur eines von vier Geräten war in Betrieb und wurde so zur Publikumsattraktion.

Auch der Handel hat es mit dem Euro nicht besonders eilig. Die meisten Läden haben sich bestenfalls mit dem Münzset im Wert von etwa 300 Euro eingedeckt, während nur 40.000 der 400.000 Sets mit Fünf-Euro-Scheinen angefordert wurden.Auch das ursprünglich gegebene Versprechen, Euro-Zahler erhielten auch ihr Rückgeld in Euro, wurde mittlerweile von den Händlerverbänden kassiert. Sie geben den Banken die Schuld: Die hätten die Euro-Scheine gehortet, statt sie an den Handel rauszurücken.

Schlecht vorbereitet zeigten sich die Banken auch bei der Ausgabe der neuen Schecks. Im Nu waren die auf Euro lautenden Scheckbücher vergriffen. Wochenlang hatte es in TV und Zeitungen geheißen, die alten Lire-Schecks dürften ab 1. Januar nicht mehr genutzt werden. Auch hier Kommando zurück: Es reiche, wenn man die Währungsbezeichnung „Lira“ durchstreiche und durch „Euro“ ersetze, werden nun die leicht verwirrten Kunden aufgeklärt.

So geht es in Italien erst mal vorwiegend mit der eigentlich abgeschafften Lira weiter – auch in den Spielcasinos. Die verfügen erst ab dem 8. Januar über Euro-Fiches. Da passt es, dass auch die Regierung mit der vollmundig versprochenen Versendung des automatischen Euro-Umrechners an alle Haushalte im Verzug ist – erst am 31. Dezember wurde damit begonnen. Rechtliche Probleme werfen die Startschwierigkeiten jedoch kaum auf, da bis zum 28. Februar die doppelte Zirkulation gesetzlich vorgeschrieben ist.

Das parallele Hantieren mit Lira und Euro erleichtert zudem die Überprüfung, wer die Umstellung zu Preiserhöhungen nutzt. Seit Monaten wettert die Regierung an der Seite der EU-Kommission gegen diese Versuche, doch die happigsten Preisanpassungen werden ausgerechnet von öffentlichen Betrieben gemeldet: Das Busticket verteuert sich in Mailand um 30 Prozent und die staatlichen Museen runden ihre Eintrittsgelder großzügig um bis zu 50 Prozent nach oben auf.