La notte nera

aus Rom MICHAEL BRAUN

„La notte bianca“ war in Rom angesagt, die „weiße Nacht“. Kneipen, Bars, Restaurants, Museen hatten sich an der Initiative der Kommune beteiligt, die mit Öffnungszeiten bis acht Uhr früh die Nacht zum Tage machen sollte, und über eine Million Menschen waren gekommen. Die Hartnäckigsten unter ihnen erlebten um 3.30 Uhr ein Spektakel, das nicht angekündigt war. Plötzlich wurde die weiße Nacht pechschwarz: Mit einem Schlag war der Strom weg, und dazu noch hatte strömender Regen eingesetzt. Statt zu feiern, galt es nun, mühsam den Heimweg zu organisieren; zu hunderten kampierten die Menschen in den U-Bahn-Stationen, bis die Ersatzbusse für die ausgefallenen Züge kamen.

Viele dachten sofort an die Unwetter als mögliche Ursache; sie lagen richtig und doch falsch zugleich. Eingeschlagen hatte es viel weiter nördlich, irgendwo an der Grenze von Frankreich zu Italien – mit der Folge, dass in einer Kettenreaktion die Stromversorgung von Südtirol bis nach Sizilien zusammenbrach. Mit Ausnahme Sardiniens war das ganze Land stockduster, standen alle Züge, ging keine Benzinpumpe an der Tankstelle, kein Bankautomat, kein Aufzug mehr.

Doch wenigstens hatte sich Italien für die kleine Katastrophe den richtigen Moment ausgesucht: Um halb vier morgens, dazu noch am Sonntag, bleiben nicht furchtbar viele Leute in Aufzügen stecken, gibt es keinen Berufsverkehr. Ruhig präsentierte sich Rom gestern am späten Vormittag. Selbst an der Stazione Termini, dem Hauptbahnhof, keine Spur von Chaos, sondern bloß an allen Gleisen stillstehende Züge.

Aber selbst in stromlosen Zeiten fließen Informationen. Alle sagen „Frankreich“. Da sei was zusammengebrochen. Das entspricht der offiziellen italienischen Nachrichtenlage: Schuld sei die wohl durch Gewitter verursachte Unterbrechung von gleich zwei Hochspannungsleitungen aus Frankreich gewesen. Den plötzlichen Ausfall von 3.000 Megawatt habe das italienische Netz nicht verkraftet, und so sei es zum flächendeckenden Blackout gekommen. Die Franzosen sehen das anders. Nur ganz kurz sei von ihrer Seite aus die Lieferung unterbrochen gewesen, dann hätten die Italiener die Leitungen nicht mehr aufgemacht.

Wie auch immer: Ist der Strom erst mal weg, dauert es Stunden, bis er wieder fließt: Immerhin um die 20.000 Schalter müssen im italienischen Netz umgelegt werden. Als Erste durften sich die Norditaliener freuen, und um kurz vor zwölf hatte auch Rom wieder Strom, während weite Teile des Südens, aber auch Mittelitaliens noch bis zum Nachmittag warten mussten. Wer nicht wartete, waren die Politiker: Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und Wirtschaftsminister Antonio Marzano beschworen wie schon bei den Stromabschaltungen im Sommer die Notwendigkeit, zügig zahlreiche neue Kraftwerke zu errichten, ehe überhaupt die Ursache des Blackouts geklärt ist. Aber erst mal ging das Leben weiter, als wäre gar nichts passiert. Ehe noch der Strom im ganzen Land zurückgekehrt war, war eine der wichtigsten Nachrichten des gestrigen Tages: Die „Serie A“, die Erste Fußballliga, spielt auf jeden Fall.