In Italien beginnt heftige Irak-Debatte

Der blutige Selbstmordanschlag auf italienische Polizei- und Armeeeinheiten im Irak hat die Nation daran erinnert, überhaupt im Irak beteiligt zu sein. Die Linke fordert einen sofortigen Abzug der Truppen, die Regierung schließt das kategorisch aus

aus Rom MICHAEL BRAUN

Schockiert zeigte sich gestern Italiens Öffentlichkeit von dem Anschlag auf die in Nassirija stationierten Carabinieri und Soldaten. Mindestens 14 Tote unter den Italienern, dazu 8 tote Iraker forderte das am Morgen verübte Selbstmordattentat auf den Militärstützpunkt in der südirakischen Stadt – und zugleich rief es den Italienern auf blutige Weise in Erinnerung, dass auch sie mit 3.000 Soldaten im Irak präsent sind. Zwar lagen auch für die italienischen Einheiten Anschlagswarnungen der Geheimdienste vor, andererseits aber sind sie im als relativ sicher geltenden Süden, in der britischen Zone, stationiert.

Während die Fernsehsender gestern sofort mit Sondersendungen reagierten, während auf allen öffentlichen Gebäuden die Flaggen auf Halbmast gesetzt wurden, unterbrachen die beiden Häuser des Parlaments nach einer Schweigeminute sofort ihre Arbeit, um dann am Nachmittag zu Sondersitzungen zusammenzutreten. Kammerpräsident Pier Ferdinando Casini sprach von einem „Moment des Schmerzes und des nationalen Leids“; Italien zahle „einen sehr hohen Preis für eine humanitäre, auf Erhalt des Friedens, der Ordnung, der Sicherheit gerichtete Mission“.

Die Regierung stellte ihrerseits klar, dass sie das italienische Engagement im Irak nicht in Frage zu stellen gedenkt. Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklärte vor dem Senat, trotz des tiefen Schmerzes über die Opfer werde „keinerlei Einschüchterung uns von dem Willen abbringen, diesem Land dabei zu helfen, neu zu erstehen und sich Selbstregierung, Sicherheit und Freiheit zu schaffen“.

Die Vertreter der wichtigsten Oppositionsparteien – der Linksdemokraten und der Mittepartei „Margherita“ – reagierten ihrerseits mit Verurteilungen des Anschlags und Solidaritätsbekundungen für die Familien der Opfer, forderten aber nicht den Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak. Sie verharren damit auf der Linie, die sie schon im April bei der Entscheidung des Parlaments über die italienische Mission eingenommen haben, als sie der Abstimmung fernblieben, statt mit Nein zu votieren.

Anders reagierte gestern dagegen der linke Flügel der Opposition. Die Grünen, die beiden kommunistischen Parteien und der größte Gewerkschaftsbund, die CGIL, fordern einen sofortigen Rückzug. Grünen-Chef Alfonso Pecoraro Scanio erklärte: „Nach dem Attentat hoffen wir, dass alle in der unmittelbaren Notwendigkeit übereinstimmen, die Truppen von dem irakischen Krieg abzuziehen. […] Es ist unverantwortlich und unmoralisch, das Leben tausender junger Italiener aufs Spiel zu setzen, um der unverantwortlichen und gescheiterten Präventivkriegsstrategie von Bush zu folgen.“ Und Armando Cossutta von den italienischen Kommunisten bekundete den Carabinieri und ihren Angehörigen Beileid, setzte aber nach: „Groß ist unsere Wut, scharf ist unser Protest gegen diese Regierung, die unsere Söhne in den Tod schickt in einem kolonialistischen und imperialistischen Krieg.“