Cohn-Bendit zu französischen Grünen: „Das versteht ja kein Mensch“

Daniel Cohn-Bendit beklagt die Politik der Grünen in Frankreich und setzt seine Mitarbeit dort aus. Er fordert eine klare Zustimmung zum Rettungspakt und Fiskalpakt.

Macht erstmal nicht mehr mit bei den französischen Grünen: Daniel Cohn-Bendit. Bild: dpa

taz: Herr Cohn-Bendit, Sie lassen Ihre Mitgliedschaft bei den Grünen in Frankreich ruhen und haben die Ablehnung des Fiskalpakts durch die französischen Grünen als „unverantwortlich“ und „inkohärent“ bezeichnet.

Cohn-Bendit: Meine Reaktion bezieht sich nicht nur auf den Fiskalpakt. Es geht um den Zustand der Partei Europe Écologie – Les Verts (EELV). Bei dem Treffen am Wochenende wurden ja auch neue Statuten verabschiedet. Aber die Tatsache, dass die EELV innerhalb eines Jahres rund die Hälfte ihrer Mitglieder verloren hat, wurde überhaupt nicht diskutiert. Die Frage des Fiskalpakts kommt noch hinzu. Und da geht es nicht darum, ob das ein guter oder schlechter Pakt ist. Dieser ist die Fortsetzung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), und der ist der einzige Ansatz zur Vergemeinschaftung der Schulden und zu einer Solidarität in Europa.

Ist das eine Grundsatzfrage für die französischen Grünen?

Ich meine, es ist besser, Politik zu machen mit einer Regierung, in der man teilnimmt und so die Europapolitik mitgestaltet, als eine Entscheidung zu treffen, die letztlich niemand versteht. Auch wenn sie der gesetzlichen Verankerung der Schuldenbremse nicht zustimmen, werden sie den Haushalt verabschieden, der die Konsequenz des Fiskalpakts ist. Das versteht kein Mensch.

Weil die Partei EELV Teil der linken Regierungskoalition ist?

Die Grünen sitzen mit zwei Ministerposten in der Regierung, darunter die frühere Parteisprecherin Cécile Duflot. Sie nimmt in dieser Auseinandersetzung um den Fiskalpakt überhaupt nicht Stellung und geht einfach auf Tauchstation. Das ist absurd und unverständlich.

Daniel Cohn-Bendit (67) sitzt für die französischen Grünen seit 1999 im Europäischen Parlament und ist Ko-Präsident der Grünenfraktion.

In Deutschland wird bei den Grünen aber auch über den Fiskalpakt und den Europakurs diskutiert, es gab eine harte Auseinandersetzung zwischen Reinhard Bütikofer und Jürgen Trittin.

Man kann und darf ja den Fiskalpakt kritisieren, nur am Ende muss man Konsequenzen ziehen, und das sieht ja Reinhard Bütikofer auch. Nachdem jetzt dreizehn oder vierzehn Länder den Fiskalpakt ratifiziert haben, ist dieser ganz eng mit dem ESM verbunden – und den brauchen wir! Das ist nun mal so. Es gibt politische Auseinandersetzungen, die gewinnt oder verliert man. Danach muss man weitermachen. Der Solidarität können wir uns nicht entziehen, und das Instrument dazu ist der ESM.

Mit ihrer Ablehnung der Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts setzen die französischen Grünen die linke Regierungskoalition einer Belastungsprobe aus. Doch ist die Regierung nicht auf die Stimmen der Grünen angewiesen. Auch die bürgerliche Opposition wird fast geschlossen für die Ratifizierung votieren. Ihr Argument: Die Vorlage ist noch von Sarkozy und Merkel ausgehandelt worden. Seine Ablehnung durch die Parteileitung von Europe Écologie – Les Verts (EELV) wird von den Sozialisten dennoch als mangelnde Loyalität empfunden. Die Grünen aber sind der Ansicht, dass dieser Fiskalpakt der Krisensituation nicht angemessen sei und den angestrebten „ökologischen Übergang“ behindere. Die rechte Opposition in Paris fordert nun den Rücktritt der beiden grünen Minister. (bal)

Was schlagen Sie als Kopräsident der Fraktion der Grünen im EU-Parlament vor?

Ich bin ja gespannt, ob die deutschen Grünen für den Bundestagswahlkampf Europa zu einem zentralen Thema machen. Das ist noch nicht ausgemacht. Die Grünen haben Angst, mit der Bundeskanzlerin einen Auseinandersetzung zu führen über Europa. Man kann, wie dies Joschka Fischer getan hat, Merkels Europapolitik radikal kritisieren, ohne der Notwendigkeit einer Verantwortung auch in der Haushaltspolitik zu widersprechen. Die europäischen Grünen werden bestehen im Wahlkampf, wenn sie Solidarität und Verantwortung zusammenbringen.

Ist denn mit Europa eine Wahl zu gewinnen, da sträuben sich doch vielen Wählern einfach gleich die Haare?

Nun mal halb lang! Europa ist schwierig, zugegeben. Aber die Grünen kämpfen nicht um 50 Prozent – das würden sie wohl gern. Unsere Wählerschaft hat eine andere Sicht von Europa, wenn man das rational und mit Schmackes erklärt. Wir wollen bei der nächsten Bundestagswahl 15, 16 Prozent kriegen. Damit hätten wir einen politischen Hebel: Und für unsere Wähler ist es unabdingbar, eine klare europäische Position zu haben.

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