Kommentar Eurokrise: Das Chaos ist zurück

Die Hebel-Idee ist in der Eurokrise angekommen. Aber mit dem Rettungsschirm wird das nicht funktionieren, sondern das Chaos größer machen.

Das Wort hat eine erstaunliche Karriere gemacht: „hebeln“. Erstmals tauchte es in der Finanzkrise auf, als Banken mit minimalem Eigenkapital maximale Schrottkredite vergaben – und danach pleite waren. Jetzt hat auch die Eurozone diesen Begriff entdeckt. Erst sollte der Rettungsschirm EFSF „gehebelt“ werden – nun soll dieser Trick auf den neuen Rettungsschirm ESM übertragen werden.

Bisher hat der ESM eine Ausleihkapazität von 500 Milliarden Euro. Doch könnten viele Milliarden hinzukommen – glauben zumindest die Regierungschefs der Eurozone –, wenn auch private Geldgeber einsteigen. Diese Euphorie ist nicht nachvollziehbar. Die Hebel-Idee wird nicht funktionieren, sondern das Chaos in der Eurozone vergrößern.

Erstes Problem: Private Investoren steigen nur ein, wenn ihnen eine Geldanlage beim Rettungsschirm absolut risikolos erscheint. Das war bisher nicht der Fall. Obwohl die Eurozone Unterhändler in die ganze Welt entsandte, fand sich nirgendwo ein Anleger, der Lust hatte, den Rettungsschirm EFSF zu hebeln. Das zweite Problem ist noch gravierender: Die „Hebel“-Diskussion verschärft die Eurokrise, statt sie zu beruhigen. Denn sie zerstört das neue Gleichgewicht, das zwischen Politik und Europäischer Zentralbank gefunden wurde.

Zur Erinnerung: EZB-Chef Mario Draghi hat angekündigt, Staatsanleihen bedrängter Eurostaaten „unbeschränkt“ aufzukaufen, wenn diese Staaten einen Antrag bei den Rettungsschirmen gestellt haben. Damit war die Rollenverteilung eigentlich klar. Die EZB handelt wie eine normale Notenbank, während der ESM die politische Kontrolle übernimmt, dass Sparzusagen eingehalten werden.

Doch was klar war, wird jetzt wieder unklar. Denn wozu wird ein „gehebelter“ Rettungsschirm gebraucht, wenn die EZB sowieso unbeschränkt eingreift? Doch offenbar sollen künftig zwei staatliche Stellen auf den Finanzmärkten unterwegs sein. Damit ist das Chaos zurück.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.