Schills Polizisten verprügeln sich

„Null Toleranz“ kann wehtun: Zwei uniformierte Polizisten verdroschen bei einer Demo zwei Kollegen – obwohl die das Codewort parat hatten. Politikprofessor ruft Bürgermeister auf, die Polizeistrategie von Innensenator Schill zu korrigieren

aus Hamburg SVEN-MICHAEL VEIT

Karl-Hermann Rehr ist schockiert über die Keilerei, wie er sagt. Zwei Zivilpolizisten aus Schleswig-Holstein sind in Hamburg von Kollegen aus Thüringen „krankenhausreif geschlagen worden“, berichtet Rehr, Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Kiel. Die beiden Beamten, zurzeit dienstunfähig, wollen Strafantrag gegen die Kollegen stellen.

Der Vorfall, der sich bereits vergangenen Sonnabend ereignete, war von der Hamburger Innenbehörde tagelang geheim gehalten worden. Bei einer Solidaritätsdemonstration in der Hansestadt gegen die Räumung des Bauwagenplatzes „Bambule“ erlitten die beiden Zivis erhebliche Kopfverletzungen. Ihre uniformierten Kollegen hatten sie mit Schlagstöcken traktiert. Dass sie sich durch eine bei solchen Einsätzen übliches Codewort zu erkennen gaben, half ihnen nichts.

Die Hamburger Polizei räumte gestern den „unglücklichen“ Vorfall ein. Interne Ermittlungen seien bereits aufgenommen worden. Auch dem Thüringer Innenministerium sei „der Vorgang bekannt“, bestätigte dessen Sprecher Fried Dahmen in Erfurt. Er schloss dienstrechtliche Konsequenzen nicht aus, sollte „Fehlverhalten“ nachgewiesen werden.

Zwischen den Regierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein herrscht ob des Vorfalls Verstimmung. „Das ist aus dem Ruder gelaufen“, verlautet aus rot-grünen Ministeriumskreisen in Kiel. Der grüne Fraktionschef im Landtag, Karl-Martin Hentschel, forderte, der Polizei im Nachbarland „keine Amtshilfe mehr zu leisten“. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Innensenator Ronald Schill müssten sich „entschuldigen und distanzieren“. Anderenfalls müsse er davon ausgehen, „dass rücksichtsloses Vorgehen gegen Demonstranten unter Inkaufnahme von Rechtsverletzungen beabsichtigt ist“. Demotiviert ist bereits Schills Sprecher Hartmut Kapp, der von der Polizeipressestelle gegen seinen Willen in die Innenbehörde versetzt worden war. Er hat schriftlich um seine Versetzung ersucht und seinen Arbeitsplatz geräumt.

Der Hamburger Regierungssprecher Christian Schnee hingegen verteidigte „die Linie des Senats: Wer Randale macht, darf keine Chance haben.“ Damit erteilte Schnee der Forderung des Politikwissenschaftlers Michael Greven von der Universität Hamburg eine Absage. Der hatte von Beust gestern aufgefordert, seinen Innensenator an die Kette zu legen. „Jemand im Senat muss Schill sagen“, so Greven, dass dessen „Null-Toleranz-Strategie in die Klemme“ führe.

In der Zwischenzeit gehen die Demonstrationen gegen die Senatspolitik fast täglich weiter. Am Mittwoch Abend erleuchteten mehr als 700 Menschen mit einem Laternenumzug die Hamburger City, die Polizei blieb friedlich. Am gestrigen späten Abend sollte eine Kundgebung vor „dem zweiten Wohnsitz des Innensenators“ stattfinden: In Hamburgs nobelstem Nacht-Club „Wollenberg“, zweite Heimat auch für Literaturnobelpreisträger in spe, Dieter Bohlen, nebst Gespielinnen, weiß auch Ronald Schill amüsante Nächte zu verbringen.

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