Nestlé wegen Spitzelei verurteilt: Kleine Genugtuung für Attac

Ein Schweizer Zivilgericht verurteilt Nestlé, weil Globalisierungskritiker ausspioniert wurden. Der Konzern bedauert das Urteil, nicht das Vorgehen.

Gutes Essen, gutes Leben – aber nur für die, die Nestlé freundlich gesinnt sind. Bild: dapd

GENF taz | Die Spitzelei des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns, der Schweizer Firma Nestlé, bei der globalisierungskritischen Organisation Attac bleibt doch nicht ungesühnt. Ein Zivilgericht in Lausanne verurteilte Nestlé und die mit der Spionage beauftragte Sicherheitsfirma Securitas jetzt zu einer Entschädigungszahlung von je 3.000 Schweizer Franken an zwei Mitglieder der Attac-Gruppe im Westschweizer Kanton Waadt.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Aktivistinnen, die damals ein kritisches Buch über den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern planten, mit illegalen Methoden infiltriert und ausgekundschaftet worden waren.

Die beiden Frauen hatten 2008, nachdem die Bespitzelung in einer Sendung des Westschweizer Fernsehens publik gemacht worden war, sowohl Straf-als auch Zivilklage gegen Nestlé und Securitas eingereicht.

Die Securitas hatte 2003 und 2005 zwei Mitarbeiterinnen in die Attac-Gruppe eingeschleust, eine firmierte unter dem falschen Namen „Sara Meylan“. Die beiden nahmen regelmäßig an den Arbeitstreffen der Gruppe teil, verschafften sich Zugang zu vertraulichen Informationen – auch über Dritte – sowie zu den E-Mails der Attac-Mitglieder. Und sie lieferten detaillierte Berichte an Nestlé.

Wichtigster Steuerzahler der Schweiz

Mit dieser „unerlaubten Infiltration“ hätten Nestlé und Securitas „die Persönlichkeitsrechte der Klägerinnen verletzt“, stellte das Lausanner Gericht nun fest. Der Konzern äußerte in einer ersten Reaktion „Bedauern“ über das Urteil, nicht aber über das eigene Vorgehen.

Das Strafverfahren hatte der Waadtländer Untersuchungsrichter Jaques Antenen bereits im Juli 2009 eingestellt – mit einer Begründung, die den Verdacht erregte, eine Gefälligkeitsentscheidung für das Unternehmen zu sein. Immerhin ist Nestlé der größte Arbeitgeber im Kanton und wichtigster Steuerzahler der Schweiz: Er habe „nichts Strafbares entdeckt“, hieß es damals in dem Einstellungsbescheid.

Die beiden Spitzel hätten lediglich handschriftliche Notizen über die Versammlungen weitergegeben, jedoch keine verbotenen Tonbandaufnahmen oder Fotografien gemacht. Securitas und Nestlé hätten diese Berichte archiviert, ohne daraus „gesetzeswidrige Akten“ herzustellen. Strafrechtlich relevant wäre nur die Weitergabe von persönlichen Daten gewesen, doch die sei verjährt. Schließlich sei „nicht beweisbar“, dass die Spitzel nach 2005 weitergemacht hätten.

Für bare Münze

„Statt eine Hausdurchsuchung einzuleiten, Material zu konfiszieren und sich für die genaue Art der Materialbeschaffung zu interessieren, hat sich Antenen damit zufrieden gegeben, die Aussagen der beiden Firmen für bare Münze zu nehmen“, kritisierte Attac seinerzeit die Einstellungsverfügung des Untersuchungsrichters.

Die zweite Spionin habe öffentlich bestätigt, auch nach 2005 rund zehn Berichte für Nestlé verfasst zu haben. Antenen sagte, er habe keine Hausdurchsuchung angeordnet, weil Attac bereits vor der Sendung des Westschweizer Fernsehens, durch die die Bespitzelung überhaupt erst aufflog, hätte klagen müssen.

„Das Ziel des Untersuchungsrichters war es, die Straffreiheit von Nestlé und Securitas zu garantieren“, warf Attac-Anwalt Jean-Michel Dolivo Antenen vor. Der Richter habe nicht geklärt, ob es sich bei den Spitzelberichten wirklich nur um Gesprächsnotizen oder um die Abschrift verbotener Tonbandaufnahmen handelte. Auch habe er nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich die Spitzel Zugang zu den E-Mails der Attac-Mitglieder verschafft und damit deren Privatsphäre verletzt hätten.

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