Kolumne Nullen und Einsen: Transparenz und Hampelei

Mit Lobbyplag werden wieder einmal spannende Dinge aufgedeckt. Leider wieder einmal nicht von Journalisten.

Manchmal hielt Annette Schavan Transparenz auch für eine gute Idee ... Bild: dpa

Jetzt also Lobbyplag. So langsam fängt es an, mir ein bisschen peinlich zu werden, für mich und meinen Berufsstand: Mal wieder eine interessante Recherche – und mal wieder eine, die nicht primär von einer Redaktion, sondern vor allem von Netzaktivisten ausgebuddelt und veröffentlicht wurde.

Schon klar, wir Journalisten haben es ja auch schwer derzeit. Alles schlimm, überlastete Redaktionen, knappe Recherchezeit und noch weniger Budget – wie soll man da noch investigativ … und so weiter. Interessanterweise scheint Lobbyplag aber auf die Initiative einer Einzelperson zurückzugehen: Der Wiener Jurastudent und Netzaktivist Max Schrems soll den Anstoß für das Projekt gegeben haben. Kein Einzelfall – man denke nur an die Enthüllungen des Chaos Computer Clubs oder die Infos, die mit Hilfe von fragdenstaat.de eingeholt werden.

Auch in der Aufbearbeitung von Informationen lassen kleine Netzprojekte große Redaktionen oft alt aussehen. So zünden die Jungs von der Agentur „Open Data City“ ein Tischfeuerwerk nach dem anderen, wenn es darum geht, große Datenhaufen attraktiv aufzubearbeiten. So mischte Open Data City auch bei Lobbyplag mit – kurz nachdem sie visualisiert hatten, welche der beliebten Youtube-Videos in Deutschland gesperrt sind und mit welcher Begründung.

Derartige Projekte sind großartig, weil sie – auch dank algorithmengestützter Auswertung – Zusammenhänge und Muster sichtbar machen, die das menschliche Hirn in einem Wust von Buchstaben und Informationen nicht überschauen kann. Darum ist die Transparenz, die Lobbyplag herstellt, eine gute Sache.

Nur: Unrecht hat der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro nicht, wenn er fordert, die Gesetzestexte sollten nicht nur auf Lobbyisten-Vorschläge großer Firmen, sondern auch auf die Einflussnahme von Netzaktivisten analysiert werden. Unabhängig davon, wessen Argumente man für überzeugender hält und wer über mehr Kapazitäten und Ressourcen für seine Lobbyarbeit verfügt: das wäre ausgewogener Datenjournalismus – und nicht nur eine Aufarbeitung von Daten zur Unterstützung des eigenen politischen Anliegens.

Dann nämlich könnte man jenseits von Klischees diskutieren. Darüber, ob Lobbyismus generell zu verteufeln ist. Darüber, ob er zwingend nur von Vertretern gigantischer Firmen betrieben wird – oder nicht zum Beispiel auch von Netzbürgerrechtlern. Darüber, mit wie viel inhaltlicher Expertise und Entscheidungssicherheit die politischen Verantwortlichen eigentlich gesegnet sind. Und welche neuen Spielregeln für Lobbyismus nötig wären.

Das ist die konstruktive Variante von Transparenz.

Wie Transparenz in ihrer destruktiven Form aussieht, hampelt dagegen gerade die Piratenpartei vor: Da filetiert sich das Erste-Reihe-Personal so fies vor den Augen aller, dass sich das Publikum angewidert abwendet. Bis auf die Journalisten. Für die ist das jüngste Piratenmassaker ein Fest: saftige Storys, schillernde Protagonisten. Präsentiert auf dem Silbertablett. Buddeln muss da niemand.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.