Mit Vollgas, bis es kracht

Beim Thema Verkehr stehen sich Grüne und FDP gegenüber wie Feuer und Wasser, vor allem bei wichtigen Vorhaben: der Autobahn nach Schönefeld und der Schließung des Flughafens Tempelhof

von RICHARD ROTHER

Vor oder hinter dem Lenkrad sein – das ist die Frage, und sie dürfte die Ampelkoalition ein ums andere Mal in Gefahr bringen. Denn wenn es ums Auto geht, sind die Gelben und die Grünen wie Feuer und Wasser. Während der Grünen-Verkehrsfrontmann Michael Cramer keine Gelegenheit auslässt, den Autoverkehr verbal in die Schranken zu weisen, kämpft FDP-Chef Günter Rexrodt schon mal gegen „die schikanöse Ampelschaltung an der Friedrichstraße“.

Den künftigen Regierungspartnern dürften aber nicht nur die Verbalattacken ihrer Partner Probleme machen – bei vielen verkehrspolitischen Essentials gibt es keine Kompromisse: Entweder man baut eine Autobahn oder eine U-Bahn, oder man lässt es bleiben; entweder ein Flughafen wird geschlossen oder nicht. Größtes Problem dürfte deshalb der mittlere Autobahnring in Berlin werden (siehe unten). Die FDP will unbedingt bauen, die Grünen sträuben sich. Da das Ganze, von der Schönefeld-Autobahn abgesehen, erst in mehr als fünf Jahren akut wird, könnten Grüne und FDP versuchen, das Thema zu vertagen. Die Autobahn-Befürworter würden aberdarauf bestehen, die Trassen freizuhalten – auch dies lehnen viele Grüne ab.

Die anderen verkehrspolitischen Dauerbrenner, mit denen der Autoverkehr zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs zurückgedrängt werden soll, eignen sich eher zu Kompromissen. Zwar gilt auch bei Busspuren, Tempo-30-Zonen und Parkvignetten, dass man sie einführt oder es bleiben lässt. Die Möglichkeiten zum Feilschen sind aber schier grenzenlos: hier eine Busspur, dafür dort eine autofreundliche Ampelschaltung; hier eine neue Parkraumbewirtschaftung, dafür dort keine Verkehrsberuhigung.

Zudem ist schon einiges geschehen: In Berlin gibt es mehr als 100 Kilometer Busspuren, eine deutliche Ausweitung hat nach Ansicht der Experten in der Verkehrsverwaltung keinen Sinn. Um die Busse zu beschleunigen, favorisieren sie vielmehr Systeme, mit denen Busfahrer Ampeln elektronisch selbst grün schalten können, wenn sie auf eine Kreuzung zufahren.

Problematischer wird es bei der Parkraumbewirtschaftung: Grüne und SPD fordern eine Ausweitung der gebührenpflichtigen Parkzonen – sowohl räumlich als auch zeitlich. So müssten etwa am Hackeschen Markt in Mitte und an der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg die Zahlzeiten bis Mitternacht ausgedehnt werden, heißt es. Auch Liberale könnten sich damit anfreunden – schließlich nützt es den Kneipiers, wenn ihre Gäste überhaupt einen Parkplatz finden.

Geradezu unüberbrückbar sind jedoch die Positionen beim Flughafen Tempelhof. Nach den bisherigen Planungen soll der innerstädtische Aiport geschlossen werden, wenn der neue Flughafen in Schönefeld planerisch und juristisch baureif ist. Die FDP möchte Tempelhof auch darüber hinaus offen halten, Grüne und SPD lehnen das ab. Hier dürfte die FDP den Kürzeren ziehen, während die Grünen bei der Stadtautobahn Richtung Schönefeld und Dresden nachgeben. Ähnlich die Lage bei der Verlängerung der U 5. Mit ihrer Forderung nach einem Weiterbau dürfte sich die FDP kaum gegen Grüne und SPD durchsetzen.

Am Ende geschieht, was schon in den Jahren der großen Koalition geschehen ist, als sich die CDU- und SPD-Positionen meist gegenseitig neutralisierten: Vieles bleibt, wie es ist; nur das Unvermeidliche wird umgesetzt. Die Ampelkoalition hätte zumindest den Vorteil, den Spaßfaktor erhöht zu haben. Man stelle sich nur vor, wie der gelbe Rexrodt den 111. Busspurkilometer als händlerfreundlich preisen wird, während der grüne Cramer die Eröffnung eines Autobahnteilstücks als Maßnahme lobt, die den Autoverkehr aus einem überlasteten Kiez herauszieht.