Kaimauern im Kornfeld

15 Jahre nach der Öko-Wende im Hafen ist die Wirtschaftsbehörde am Ziel: Zehn Prozent des Hamburger Hafengebiets sind begrünt  ■ Von Heike Haarhoff

Es war die Zeit, da „die Vorfahren mit der Sense“ gegen jeden Grashalm im Hamburger Hafen vorgingen und sich mühten, Kaimauern und Uferböschungen im Containerumschlagsgebiet „krautfrei“ zu halten: Vor 15 Jahren, daran erinnerte sich gestern Wolfgang Becker vom Amt für Strom- und Hafenbau, waren er und sein Kollege, der Landschaftsplaner Bernhard Weinschenck, mit ihren Ideen für einen begrünten Hafen Exoten in der Wirtschaftsbehörde. Heute sind die beiden am Ziel: Wissenschaftliche Gutachten und Überzeugungsarbeit, daß Sträucher und Röhricht nicht nur ökologisch wertvoll sind, sondern Dämmen Halt und Tieren Schutzraum geben, führten dazu, daß mehr als zehn Prozent des 4378 Hektar großen Hafens Grünflächen sind.

Viele Pflanzen haben Schutzfunktion; so sorgt die Grasnarbe an Deichen dafür, daß diese nicht abrutschen. Rund um den Hansa-Port in Altenwerder verhindert eine grüne Mauer aus Bäumen und Büschen, daß die Stäube von Erz und Kohle, die in der Massengüteranlage umgeschlagen werden, durch den Hafen wehen. Firmen sind gehalten, zehn Prozent ihrer Flächen zu bepflanzen. In Gewerbegebieten außerhalb des Hafens sind sogar 20 Prozent Grün zwingend vorgeschrieben, doch gilt diese Verordnung im Hafen nicht.

Auf den ersten Blick freilich ist das gepriesene Grün nur schwer zu erspähen. „Die Pflanzen sind nur an der Rückseite der Terminals angesiedelt“, belehrte Weinschenck. Schießlich sei der Hafen „keine Parkanlage“. Im Gegenteil: Werden neue Flächen erschlossen – beispielsweise durch Zuschüttung von Hafenbecken wie derzeit im Südwest- und Indiahafen – läßt die Behörde zum Hochwasserschutz eine fünf Meter dicke Sandschicht aufspülen. Darauf erst wird der Mutterboden verfüllt. „Die arme Pflanze muß sehen, wie sie ans Grundwasser kommt“, sagte Weinschenck mitleidig. Trotz dieser „widrigen Umstände“ ist es gelungen, selbst an Schotterböschungen Weidensteckhölzer zu züchten, deren Wurzeln Halt geben.

1,5 Millionen Mark gibt die Stadt jährlich für Pflege und Unterhaltung des Hafengrüns aus, genausoviel Geld wie für Neuanpflanzungen, beispielsweise im Neubaugebiet Südwest-Hafen: Als sei man inmitten des Bauernlandes Schleswig-Holstein, sprießt dort zwischen grauen Firmengebäuden und Kaimauern auf sandigem Boden ein Kornfeld: „Sommerroggen“, grinst Wolfgang Becker, „damit der aufgeschüttete Sand nicht wegweht“. Angesichts der mickrigen Feldgröße eigne sich der Getreideanbau jedoch nicht zum professionellen Backgeschäft: Die Roggenernte wird schlicht untergepflügt.

Detlev Grube, Hafen-Experte der Hamburger GAL, fand nur Worte des Lobes für das behördliche Grün-Konzept. „Schön“, so seine Anregung, „wäre zudem eine Fassaden- und Dachbegrünung der Firmengebäude sowie die Vernetzung der Biotope im Hafen“. Die zerstörte Elbinsel Altenwerder, auf der ein Containerterminal entsteht, wird in diesen Genuß freilich nicht mehr kommen.