Feminismus-Debatte: Wir brauchen keinen Zumba-Jesus

Unwitzig, für Männer abschreckend und ohne weise Führung? So leicht lässt sich der neue Feminismus nicht abwatschen. Eine Replik.

Eine weise Führungsgestalt? Och nö. Bild: froodmat / photocase.de

In der Känguru-Trilogie von Marc-Uwe Kling hat die Hauptfigur, ein kommunistisches Känguru, zwei Stempel. Auf einem steht „witzig“, auf dem anderen „nicht witzig“. Das Känguru findet, dass man alles in der postmodernen Welt in diese zwei Kategorien einteilen kann. Hannah Lühmann hat letzte Woche den „Nicht witzig“-Stempel genommen und auf den Netzfeminismus gedrückt. Bäm.

„Menstruationscomics, nein danke“ heißt Lühmanns Essay, der auf Zeit Online erschienen ist. Die Autorin, Hannah Lühmann, 27, ist seit Neuestem Redakteurin im Feuilleton der Welt. Der neue Feminismus, das ist für sie vor allem der Netzfeminismus. Der ist ihr suspekt, den hält sie für missglückt und unsexy. Denn obwohl er versuche, modern, locker und lustig zu sein, sei er in Wirklichkeit nur „nerdig und selbstreferenziell“, in Deutschland jedenfalls. Und obwohl er „nerdig“ sei, leide er „an einer schleichenden Entintellektualisierung seiner selbst“.

Netzfeministinnen seien damit beschäftigt, einander süße Katzenbilder zu schicken und sich Comics anzugucken, in denen Frauen auf blutigen Tampons reiten, so fasst Lühmann ihre Beobachtungen zusammen und ist dementsprechend pikiert. Was dem Feminismus heute fehle, sei eine weise Führung.

Das sind sehr viele Vorwürfe auf einmal. Antonia Baum erwiderte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Lena Dunham könnte eine solche Führungsfigur sein. Katrin Gottschalk vom Missy Magazine kritisierte, dass Lühmann sich vor allem am Image des Feminismus abarbeite und nicht an Inhalten. Und Sophie Elmenthaler antwortete auf Zeit Online, es sei ein Trugschluss, dass sich jede Idee verkaufen ließe, wenn sie nur „hübsch genug verpackt“ wäre. Zumal es bei sozialen Bewegungen eben nicht nur auf die Form ankomme. Und das mit den Katzen und den Comics, das sei auch gar keine feministische Besonderheit: „Das ganze Netz ist voll von diesen Dingen.“

Schreckgespenst Martenstein

Obwohl Hannah Lühmanns Thesen in feinem feuilletonistischen Gewand daherkommen – es geht um „die neue Ästhetik einer Bewegung“ –, sind sie doch in ihren Ideen sehr stammtischkompatibel. Feministinnen als humorlose, hirnlose Nervbacken, die nicht den richtigen Ton treffen: Neu ist dieser Vorwurf nicht.

Natürlich will Lühmann provozieren. „Ich glaube, wenn die Leute das Wort Feminismus hören, dann denken sie an Harald Martenstein“, schreibt sie. Ausgerechnet Zeit-Kolumnist Martenstein, buhuu, dieses Schreckgespenst einer jeden Feministin. Das schockt natürlich – aber dann doch nicht so sehr, wenn Lühmann ergänzt, dass sie Martensteins Kolumnen gegen Feministinnen eben „punktuell ziemlich witzig“ findet. Auch wenn er sich über Autorinnen lustig macht, die über frauenfeindliche Gewalt schreiben.

Hannah Lühmann, deren Text übrigens leider gar nicht witzig ist und daher auch nicht erahnen lässt, welchen Humor die Autorin für würdig genug befinden würde (wenn nicht nur den von, nun ja, Martenstein), fragt also, warum der Feminismus denn nun so ein uncooles Image habe.

Lühmann schreibt, dass in ihrem persönlichen Umfeld fast alle Gleichaltrigen für die Frauenquote seien. Fast jeder Mann, den sie kennt, „ist durch und durch durchgegendert, malt brav seine Anführungsstriche in die Luft, wenn er ,Mann‘ oder ,Frau‘ oder ,biologisches Geschlecht‘ sagt.“ Allerdings würde, so Lühmann, „niemand von diesen Menschen sagen, dass er Feminist ist“. Das ist interessant. Denn in meinem persönlichen Umfeld sind sehr viele Leute FeministInnen und nennen sich auch so – aber niemand, wirklich niemand, malt diese Anführungszeichen.

Eine unlustige Bewegung?

Es verwundert dann wenig, wenn Lühmann die Diskussionen zwischen Feministinnen und anderen „unglaublich angestrengt und anstrengend“ findet. Der zeitgenössische Feminismus ist für sie eine „weitgehend unlustige Bewegung“ – was aber wäre eine lustige Bewegung? Zumba? Humor sei wichtig, um Menschen zu überzeugen, schreibt Lühmann. Das stimmt teilweise. Dinge mit Humor zu nehmen ist eine Kunst, die das Leben schöner machen kann. Aber eine Bedingung für soziale Bewegungen war sie nie.

Feministinnen vorzuwerfen, sie seien nicht witzig, ist auf dreifache Art unangemessen. Erstens ist Humor einfach eine Frage des Geschmacks. Zweitens wiederholt sich hier das altbekannte „Lach doch mal“ altbekannter Onkels, und drittens gibt es denkbar viele Momente im Leben, in denen Kämpfen und Lachen einander ausschließen.

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen FeministInnen werden, und viele dieser Gründe sind vor allem eins: nicht schön. Es gibt Menschen, die sehr hässliche Erfahrungen machen und erst Jahre später verstehen, was ihnen passiert ist. Dass diesen Leuten, wenn sie dann über Sexismus sprechen, nicht die Sonne aus dem Hintern scheint, ist logisch. Wer gegen herrschende Strukturen ankämpft, kann das nicht als Grinsekatze tun. Und manchmal ist auch ein gepflegtes „Fuck you“ das Mittel der Wahl.

Dass Feministinnen dabei Männer manchmal abschrecken, stimmt. Die „angry old men“ werden sich nicht für die Frauenquote begeistern, schreibt Lühmann, solange man ihnen eine „diskriminierende männliche Anspruchshaltung“ unterstellt (ein Zitat aus einem Cicero-Teaser zu einem Text von Anne Wizorek).

Die These vom Genderwahn

Die Diskussion, wie männertauglich Feminismus sein sollte, ist wichtig. Doch die schlichte Forderung, Männer mitzunehmen, birgt Gefahren. Als Schauspielerin Emma Watson vor der UN ihre Kampagne „He for She“ vorstellte, die Jungen und Männer für Frauenrechte begeistern soll, schrieb der Schweizer Tagesanzeiger, Watson sei eine tolle Feministin. Warum? Weil sie süß sei.

Das Argument der Entintellektualisierung des Feminismus ist ein perfider Vorwurf. Hannah Lühmann reflektiert in ihrem Text vermeintlich ihre Privilegien („ja, ich bin weiß, jung …“), schreibt über ihre akademische Bildung, streut hier und da die Namen einiger AutorInnen ein (Plessner, Butler, Crenshaw), nur um dann am Ende doch zu fordern, Feministinnen sollten mal wieder gründlicher lesen. Das ist nicht nur elitär, das ist ironischerweise auch uninformiert.

Denn Lühmann wiederholt hier nicht nur unterschwellig die These vom Genderwahn, der sich von jeglicher Wissenschaftlichkeit entferne. „Genderwahn“ ist so ein Wort, das in letzter Zeit die Runde durchs Feuilleton machte, und es ist keines, das auf eine Diskussion auf Augenhöhe abzielt. Lühmann ignoriert hier auch die Fülle an Neuerscheinungen feministischer Bücher. Zumindest Anne Wizoreks „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“ hat sie gelesen, findet es aber doof.

Von Wizorek ist Lühmann aber ohnehin nicht überzeugt. Ihre Witze findet sie „infantil“. Anne Wizorek hat in den letzten sieben Jahren täglich knapp 17 Tweets versendet. Wenn Lühmann davon drei auswählt, um zu zeigen, wie unlustig Wizorek ist, dann ist das leider nur wenig erhaben. „Okay“, twitterte Wizorek dazu, „also wenn wir kritisieren, sind wir zu ernst und unlustig und wenn wir witzig sind, zu infantil und nicht weise genug.“

Der Ruf nach einer weisen Frau

Hannah Lühmann hat dafür aber auch eine Lösung parat: „Was der Feminismus braucht, ist eine weise Frau, eine Führungsgestalt, sagen wir: eine Intellektuelle.“ Ausgerechnet vom jungen deutschen Feminismus eine Führungsgestalt zu fordern, ist eine Idee, auf die man erst mal kommen muss. Denn immer noch denken viele Menschen beim Wort „Feminismus“ – nein, nicht an Martenstein, so hoch ist die Zeit-Auflage doch nicht – an Alice Schwarzer. Dass diese Verknüpfung sich langsam zu lösen beginnt, ist kein Nachteil, sondern ein hart erkämpfter Anlass zur Freude.

Im Grunde fordert Hannah Lühmann einen weiblichen, feministischen, intellektuellen Jesus, der witzig ist und keine Katzen mag. Das sind hohe Anforderungen. Feministinnen können ihnen nicht gerecht werden – und sie sollten es gar nicht erst versuchen. „Man wünscht dem Neofeminismus einen strategischen Berater“, schreibt Lühmann. Um dann eine perfekt durchgestylte Bewegung zu bekommen? Klingt auch nicht so witzig.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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