Umweltschutz in Norwegen: Das Meer als Müllkippe

Ein Fjord wird dem Profit geopfert: In Norwegen sollen 250 Millionen Tonnen schwermetallhaltiger Grubenabfall ins Meer gekippt werden.

Diese Landschaft bleibt zum Glück unvermüllt. Bild: imago

STOCKHOLM taz | Es gab mal eine Zeit, da wurde Giftmüll einfach in der Nordsee verklappt. Hunderttausende Tonnen radioaktive Abfälle wurden in die Ozeane gekippt. Seit spätestens zwei Jahrzehnten ist das meist durch internationale Abkommen oder nationale Gesetzgebung verboten. Aber es gibt tatsächlich immer noch Länder, die Meere für eine Müllkippe halten. Eines davon ist Norwegen – ein Land, das sonst so gern internationales grünes Vorbild sein möchte.

„Wir sind einer der schlimmsten Schurkenstaaten, was das angeht“, sagt Arnstein Vestre, Vorsitzender der Umweltorganisation Natur og Ungdom: Weltweit gebe es nur noch fünf Länder, die Müll aus der Bergbau- und Grubenproduktion einfach ins Meer kippten. „Und neben Indonesien, der Türkei, Chile und Papua-Neuguinea ist dies ausgerechnet Norwegen.“ Und Norwegen gebe sogar neue Genehmigungen für derartige Entsorgung aus.

Davon gefährdet ist der nördlich von Bergen gelegene und bei Touristen sehr beliebte Førdefjord. Hier will das Grubenunternehmen „Nordic Mining“ am Berg Engebø Rutil abbauen, ein Titan-Mineral, das beispielsweise als Weißpigment in Zahnpasten verwendet wird. Ende April gab die konservativ-rechtspopulistische Regierung in Oslo grünes Licht, dass der Gruben- und Produktionsabfall, der unter anderem Schwefelsäure und Akrylamid enthält, einfach vor Ort in den Fjord gekippt werden darf.

Eine Entscheidung, die die Empfehlungen staatlicher Fischerei- und Naturschutzbehörden sowie die Meinung von Umweltschutzorganisationen und eines Großteils der Lokalbevölkerung einfach missachtet. Dass die Genehmigung einer Fjorddeponie umweltschädlich ist, kann auch die Regierung nicht leugnen. Doch Wirtschaftsministerin Monica Mæland argumentiert mit womöglich 170 künftigen Arbeitsplätzen und damit, dass es bei den Mineralienvorkommen um „große nationale Werte“ gehe.

Den Fjord opfern?

Dafür einen ganzen Fjord opfern? Nicht nur der Marinebiologe Callum Roberts findet solche Pläne „total bescheuert“. Die Deponie werde zu einer „riesigen Schadstoffbelastung“ führen, sagt er. 250 Millionen Tonnen Müll in den nächsten 40 bis 50 Jahren sollen dem Fjord zugemutet werden – das sind 11 Tonnen pro Minute. Abfall, der schwermetallhaltig und mit winzigen Titan-Nanopartikeln versetzt ist.

Die werden sich dann nicht nur in dem für seinen Fischreichtum bekannten Fjord ausbreiten, sondern von Strömungen weiträumig im Nordatlantik verteilt werden. Und über die Meerestiere würden die Überreste bald in der menschlichen Nahrungskette landen, befürchtet Anne-Line Thingnes Førsund vom Naturschutzverband. „Diese Mischung aus Grubenabfall und Chemikalien wird nicht nur das Leben in diesem Fjord ersticken, sondern wird auch das Leben für die hier lebenden Menschen zerstören.“

Protest angekündigt

Die wehren sich gegen den „Umweltskandal“, wie die oppositionellen Linkssozialisten, die Grünen und auch die liberale „Venstre“ den Regierungsbeschluss nennen. 32 Umweltorganisationen haben in einem Schreiben gegen die Genehmigung aus Oslo protestiert. Der Kommunalminister wurde von wütenden DemonstrantInnen empfangen, es gab eine Protestpaddeltour auf dem Fjord und eine zentrale Demo in Bergen.

Für den Fall von Vorbereitungsarbeiten für den Grubenbetrieb haben Gegner bereits „zivilen Ungehorsam“ angekündigt. Auch der Rechtsweg bleibt nicht unversucht: Mit dem Argument eines Verstoßes gegen die EU-Wasserdirektive wurde das europäische Überwachungsorgan ESA angerufen. Denn die einzuhalten, dazu hat sich auch das Nicht-EU-Land Norwegen verpflichtet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.