Sicherheitsrisiko Klimawandel: Erst Dürre, dann Krieg

Weniger Regen und höhere Temperaturen können Auslöser für bewaffnete Konflikte sein. Am Beispiel von Syrien wird das deutlich.

Syrien ist nicht nur von Krieg und Terror geplagt, sondern auch von Dürren. Bild: dpa

Eine neue Studie von US-Forschern belegt nun erstmals am konkreten Fall des syrischen Bürgerkriegs, wovor zu warnen in der Vergangenheit immer den Ruch des „Alarmismus” hatte: dass die globale Erwärmung verstärkt zu Dürren und Missernten führt, die vulnerable und schwache Staaten destabilisieren und zu Gewalt und Flüchtlingsströmen führen können.

„Natürlich. Die Dürre und Arbeitslosigkeit haben die Menschen zur Revolution getrieben.“

Der Fruchtbare Halbmond östlich des Mittelmeers ist die Wiege der Zivilisation. Dort im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris erfanden die Menschen vor 12.000 Jahren Ackerbau und Viehzucht, wurden sesshaft und bauten erste Städte. Die Reiche der Assyrer, Sumerer und Phönizier entstanden. Der Landstrich inspirierte den Mythos vom Garten Eden.

Heute geht es dort alles andere als paradiesisch zu. Die Region leidet unter zunehmender Dürre. Seit gut vier Jahren verwüstet ein Bürgerkrieg Syrien. Laut den Vereinten Nationen sind bereits 210.000 Menschen gestorben, 840.000 verletzt und Millionen geflüchtet. Haben Dürre und Gewalt miteinander zu tun?

Das legt zumindest eine kürzlich in den renommierten Proceedings of the National Academy of Sciences der USA erschienene Studie nahe. Die Forscher um Colin Kelley von der University of California sowie der Columbia University of New York beschreiben zunächst die Abfolge der Ereignisse. In den Jahren 2007 bis 2010 suchte Syrien die schlimmste Dürre in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Wetteraufzeichnungen heim.

In der Folge fielen die Ernten aus, verendete das Vieh, zogen rund anderthalb Millionen Umweltflüchtlinge aus ländlichen Gebieten und suchten zumeist in der Peripherie der großen syrischen Städte wie Aleppo Zuflucht. In diesen Vorstädten, geprägt durch illegale Siedlungen, Arbeitslosigkeit, Überfüllung, unzureichende Infrastruktur und Kriminalität, lag die Keimzelle der syrischen Revolte, die im März 2011 begann.

Bei der Hilfe der betroffenen Menschen versagt das Regime Assad

Einen wichtigen Grund für den massiven Einbruch der Landwirtschaft und den Anstieg der Lebensmittelpreise sehen die Autoren in einer verfehlten, nicht nachhaltigen Agrarpolitik: Die Grundwasservorräte wurden zu stark ausgebeutet, was Syrien in Zeiten der Dürre besonders verwundbar machte. Die abnehmenden Grundwasserspiegel sind in Daten der GRACE-Satelliten deutlich erkennbar.

Stefan Rahmstorf forscht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Der Comic, der ihn derzeit beschäftigt: „Saison brune“ von Philippe Squarzoni (Delcourt).

Sie werden auch für die Austrocknung des Flusses Chabur, ein Zufluss des Euphrat, verantwortlich gemacht. Darüber hinaus versagte das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad dabei, den von der Dürre betroffenen Menschen zu helfen. Die Forscher zitieren zur Illustration zum Beispiel ein Interview mit einer geflohenen syrischen Bauersfrau. Sie antwortete auf die Frage, ob die Dürre die Revolte ausgelöst habe: „Natürlich. Die Dürre und Arbeitslosigkeit haben die Menschen zur Revolution getrieben.”

Es ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler sich damit beschäftigen, inwieweit klimatische Ereignisse gewaltsame Konflikte begünstigen. Eine 2013 in der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Science publizierte Metastudie über 60 einzelne Studien zeigte, dass Abweichungen von normalen Niederschlägen und erhöhte Temperaturen systematisch die Gefahr von Konflikten erhöhen.

Auch der syrische Konflikt wurde in der Fachliteratur schon früher mit der Dürre in Verbindung gebracht. Das Team um Colin Kelley geht nun vor allem der Frage nach, inwieweit die Jahrhundertdürre in Syrien Folge der vom Menschen verursachten Treibhausgase oder von natürlichen Wetterschwankungen war. Ihre Analyse ergibt: Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Dürre ist durch die globale Erwärmung um das Doppelte bis Dreifache angestiegen.

Wie kann man das feststellen? Eine Methode analysiert die gemessenen Niederschlagsdaten: Mit statistischen Methoden kann man sie in einen CO2-bedingten langfristigen Trend und in natürliche Schwankungen zerlegen. Die zweite Methode ist die Auswertung von Rechnungen mit verschiedenen Klimamodellen, die man einmal nur mit natürlichen Antriebsfaktoren und einmal zusätzlich mit den anthropogenen Antrieben (vor allem der steigenden CO2-Konzentration) laufen lässt.

Das Schlagwort ’Klimakrieg‘ wird man vergeblich in dem Gutachten suchen.

Beide Verfahren liefern im Falle der syrischen Dürre konsistente Ergebnisse. Martin Hoerling, ein Experte für Wetterextreme der US-Atmosphärenbehörde NOAA, nannte die Belege in der New York Times „ziemlich überzeugend”. Das ist bemerkenswert, weil Hoerling einen Zusammenhang von Klimaerwärmung und Extremwetter in der Vergangenheit oft selbst dann noch angezweifelt hat, wenn die meisten Kollegen ihn für gut belegt hielten, etwa bei der russischen Rekordhitzewelle im Sommer 2010.

Allein drei der vier schwersten Dürren in Syriens Geschichte fanden in den letzten 25 Jahren statt. Eine natürliche Ursache der schwindenden Niederschläge ist nicht bekannt. Für Syrien und den gesamten Mittelmeerraum stimmen dagegen mehr als 90 Prozent der Klimamodelle darin überein, dass der Treibhauseffekt zunehmende Trockenheit bringen wird. Als eine Folge gab es im August 2007 verheerende Waldbrände in Griechenland, selbst die antiken Stätten von Olympia entgingen nur knapp den Flammen.

Gewaltsame Konflikte haben ein komplexes Ursachengeflecht

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat 2007 in seinem Gutachten „Sicherheitsrisiko Klimawandel” Konflikte analysiert, die durch die Erderwärmung entstehen können. Ich bin einer der Autoren. Ausbleibende Ernten wie in Syrien können demnach ein Auslöser sein, und Entwicklungsländer, in denen das Gros der Bevölkerung sich selbst versorgt, also von Subsistenzlandwirtschaft lebt, sind besonders anfällig.

Als gesellschaftliche Risikofaktoren gelten dabei starke Binnenmigration, ungleiche Einkommensverteilung und geringe Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Der WBGU sagt nicht, dass der Klimawandel als alleinige Ursache zu Krieg oder Bürgerkrieg führen kann oder gar muss. Gewaltsame Konflikte haben ein komplexes Ursachengeflecht.

Das Schlagwort „Klimakrieg” wird man vergeblich in dem Gutachten suchen. Doch schwere Dürren können in einem ohnehin schwachen, konfliktträchtigen Staat ein Auslöser für den Ausbruch von bewaffneten Konflikten sein. Zu den schwachen Staaten wurden auch die meisten der (semi)autoritären islamisch-arabischen Staaten gezählt. Für die Zukunft lassen die Klimamodelle für die Region, aber auch für andere dürregeplagte Weltgegenden, nichts Gutes erwarten: Der Trend zum Wassermangel wird sich wahrscheinlich noch verstärken.

Bereits 2008 warnte eine Studie mit einem Klimamodell, mit dem Niederschläge aufgrund besonders guter Auflösung auch für kleinräumige Gebirgstopografie realistisch dargestellt werden können: Der Fruchtbare Halbmond werde als solcher noch in diesem Jahrhundert verschwinden. Was wird das für diese Region – für die Zukunft von Syrien, Irak, Libanon, Jordanien und Israel – bedeuten, wenn die Ernten wegbrechen?

STEFAN RAHMSTORF

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe zeozwei 2/2015. Gerne können Sie den Artikel auf unserer Facebook-Seite diskutieren.