Brachialer Minimalismus

■ Beeindruckendes Konzert des Rossburger Report beim NDR

beim NDR

Kühl und kommod die Atmosphäre, brachial und erhaben das Konzert - gegensätzlicher konnte es kaum kommen. Im hellbraunen Holz- und Aulaambiente des NDR- Sendesaals 1 vor ordentlich aufgestellten Stühlen mit 150 ausgewählten Gästen standen 12 Gitarrenspieler, ein Bassist und zwei Schlagzeugerinnen, um die hochhängenden Trauben der eigenen musikalischen Ansprüche zu greifen. U- und E-Musik wolle man verbinden, war das zentrale Statement des Rossburger Reports, der aus Musikern diverser Hamburger Bands zusammengesetzt ist. Vom HipHop- Projekt Mastino über die Hamburger Punkregierung Slime bis zu den Breitwand-Metallern von Eisenvater haben viele lokale Berühmtheiten zu dem ungewöhnlichen Zusammentreffen Musiker beigesteuert.

Auf ein knappes „Band ab!“ aus dem Regieraum, wo das Konzert für eine Sendung und eine CD mitgeschnitten wurde, erlöste Orchesterführer Markus Lipka mit einem Kopfnicken das Auditorium von der gedämpften Stimmung der steril- schönen Umgebung. In überwiegend metrischer Fortbewegung entwickelten die Musiker Mischklänge aus Harmonie und Disharmonie. Aus ihren unterschiedlich gestimmten Instrumenten zauberten sie eine bizarre Wand aus Tönen und bedienten sich dabei Techniken, die teils aus der Neuen Musik, teils aus der Rockgeschichte stammen.

Aus der Burg an Marshall-Verstärkern wälzten sich transparent- schräge Stimmungen, die sich in verschiedenen Stücken mit rhythmisch-melodischen Phasen abwechselten. Ähnlich wie die Kompositionen minimalistischer Neutöner zwingt diese Arbeitsweise das Ohr in die Vertikalität der Klänge, also in das Miteinander anstatt das Nacheinander. Doch im Gegensatz

1zu modernen Komponisten bedient sich der Rossburger Report klassischer Rock-Breaks und einer Anschlagsrhythmik, die ebenfalls aus der eigentlichen musikalischen Heimat der Spieler stammt.

Am faszinierendsten wird diese Arbeitsweise dort, wo sie das rhythmische Element gegenüber dem monotonen stärker betont,

1etwa wenn der Vier-Viertel-Takt zerstört wird, wie es gelegentlich geschieht. Auch die Auflösung der Frontalität käme der Spielweise, die auf Betonungen setzt, die durch verschiedene Gruppen wandern, sehr entgegen. Das Publikum in der Mitte, drumherum die Musiker, ergäbe ein von Neutönern schon oft geprobtes anderes Hören.

1Unzweifelhaft ist, daß das noch sehr junge Projekt aus der Unmenge inspirierter Ansätze eine wirkliche Musikkultur entwickeln kann, die vieles in den Schatten stellt, was bis dato auf diesem Gebiet versucht wurde. Das Ergebnis dieses Abends wird wahrscheinlich im Mai auf dem englischen Label 4AD veröffentlicht. Till Briegleb