Ende des Projekts taz Leipzig (II): Das ist meine Stadt geworden!

Unser Autor gestaltete die Leipzig-Seiten von Berlin aus – und lernte die Stadt so für sich kennen. Einige Gedanken zum Abschied.

Leipziger Ikonen: Besucher*innen des Wave-Gotik-Treffens vor der Straßenbahn in ihren markanten Farben Bild: rtr

von ANDREAS RÜTTENAUER

Wenn ihr etwas über Leipzig wissen wollt, fragt mich. Ich kenne mich aus. Vier, fünf Mal vielleicht – öfter war ich nicht in der Stadt. Und doch weiß ich Bescheid. Donnerstag war Leipzig-Tag. Gegen 10 Uhr am Vormittag waren die Texte für die Leipzig-Seite meistens schon in meinem Postfach. Was für ein Service! Sie waren auch schon redigiert. Dann war ich in Berlin an der Reihe. Es galt eine Seite zu layouten, die Texte anzupassen, Überschriften zu formulieren. Ein letzter Blick auf die Stadt, wie sie die taz ins Bild gesetzt hat.

Leipzig ist meine Stadt geworden. Ich kenne den Westen, die Angst vor der Gentrifizierung dort, Connewitz kenne ich sowieso. Wie sich die Marketingabteilung eines Brauseherstellers in der Fußballbundesliga macht und was man in Leipzig darüber denkt, darüber könnte ich stundenlang diskutieren.

Dass Geflüchtete, die das Gesicht der boomenden Stadt in den vergangenen Jahren verändert haben, Menschen sind und keine Probleme, wurde mir mit großem Engagement immer wieder deutlich gemacht. Welche Probleme Geflüchteten gemacht werden, auch das habe ich erfahren.

Eine Stadt die zur taz passt

Ich habe von Waschbären erfahren, von Bibern, von der schwierigen Suche nach einem Kindergartenplatz, von Quereinsteigern hinter dem Lehrer*innenpult, von Amts- und Würdenträger*innen sowieso und davon, wie viel Kraft es erfordert, sich Woche für Woche wieder ­gegen die Volksschreier der rassistischen Legida-Marschierer zu engagieren. Ich weiß, welche neuen Straßenbahnen durch Leipzig fahren, wie schwer es ist, Galopprennpferde in Würde altern zu lassen, was so alles los ist in der Eisenbahnstraße, wo sich die Verbrecher tummeln, und was die Stadt im Inneren zusammenhält – oder auch trennt.

Als wir auf die Idee gekommen sind, eine Seite, die durch veränderte Andruckseiten frei geworden ist, mit Texten aus Leipzig zu füllen, da hatten wir schon das Gefühl, dass die Stadt gut zur taz passt. Nach all den Texten, die seither erschienen sind, wissen wir, dass wir ganz richtig lagen. Da ist eine Stadt, die sich so leicht nicht von Nazis auf der Nase herumtanzen lässt, in der sich ein engagiertes Bürgertum Gedanken macht, wie eine offene Gesellschaft funktionieren kann.

Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erschien jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort. Die Geschichten aus der taz Leipzig: www.taz.de/leipzig

Acht junge Leute haben die Stadt für die taz erspürt. Es waren Studierende der Journalistik. Mit einem Viererteam haben wir im September 2016 die taz Leipzig gestartet. Sarah Emminghaus, Markus Lücker, Maria Gramsch und Hanna Voß waren die Pionierinnen. Sie waren meine ersten Stadtführer durch Leipzig.

Sie haben die Uni verlassen und gehen ihren journalistischen Weg woanders. Hanna Voß ist als Volontärin zur taz nach Berlin gekommen. Bald wird ihr Jana Lapper folgen. Ich freue mich schon, sie hier in der Redaktion zu sehen. Sie gehörte mit Helke Ellersiek, Denis Gießler und Nadja Mitzkat zum Team zwei, das aus Leipzig berichtet hat. Auch sie gehen jetzt neue Wege.

Und so werden die Donnerstage in Zukunft anders aussehen. Kein Leipzig mehr in meinem Postfach. Ich glaube, ich fahr bald mal hin.