Mehr als „apartes Dasein“

■ Institutionelle Frauenpolitik — Bemerkungen zu einem umstrittenen Projekt ESSAY

Im Vorfeld der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Hessen, im Streit um Macht und Posten, war aus Kreisen der Grünen zu hören, daß die Partei sich schleunigst von einem politischen Profil verabschieden solle, das Kompetenz in Sachen Umwelt und Frauen signalisiere. Statt des „weichen“ Ressorts Frauen gelte es jetzt „harte Schlüsselressorts“ einzunehmen. Dies zeugte von vertrauter Ignoranz: umstandlos wurde Frauenpolitik als erfolglos, einflußlos, gescheitert bewertet. Aber Kritik und die Erkenntnis, daß der bereitete Boden hauchdünn ist, müssen von den Frauen ertragen werden.

Um Frauenpolitik bewerten zu können, muß man den Tellerrand beschränkten Machtbegehrens verlassen und eine historische Zeitperspektive einnehmen. Dann kommen Strukturen in den Blick, die von der Ausgrenzung und Entwertung des gesellschaftlichen Alltags der Frauen und ihrer Ansprüche geprägt sind. Ob in Hannover, Frankfurt oder Saarbrücken — die Frauen finden bei Amtsantritt leere Räume vor, die personelle Ausstattung ist minimal, der Etat keiner Rede wert. Politik und Verwaltung privilegieren in ihren Inhalten und Formen männliche Interessen.

Interventions- statt Gleichstellungspolitik

Frauenpolitik muß auch aus konzeptionellen Gründen einer anderen Zeit- und Erfolgsabwertung unterzogen werden. Versteht sie sich nicht nur als klassische Gleichstellungspolitik, will sie in alle Ressorts intervenieren. Diese Ebene des politischen Handelns geht notgedrungen mit einer längerfristigen Zeitperspektive einher. Im Kern geht es dabei um eine Umstrukturierung des bestehenden Herrschaftsverhältnisses zwischen den Geschlechtern. Wenn wir hier eine kurzfristige Erfolgsbilanz erwarten, so haben uns zwanzig Jahre neue Frauenbewegung gelehrt, wie vielfältig und tiefsitzend die Formen der Resistenz sind, mit denen auf Veränderung des existierenden Geschlechterarrangements reagiert wird: von seiten der Männer, aber — hier ist die ursprüngliche Unschuldshypothese einer differenzierteren Betrachtung gewichen — auch von seiten der Frauen.

Ich räume aus all diesen Gründen dem Projekt Frauenpolitik den Status eines historischen Experiments ein. Damit ist durchaus die Möglichkeit seines Scheiterns vorstellbar. Zum momentanen Zeitpunkt ist eine solche Sicht wichtig, um den kritischen Blick auf das eigene politische Unterfangen zu schärfen. Das Projekt institutionelle Frauenpolitik ist jedoch weit davon entfernt, von einer kritischen Frauenöffentlichkeit begleitet zu werden. Es wirkt hier offensichtlich ein latentes Verbot, sich als engagierte Frau kritisch mit den eigenen Politikformen öffentlich (privat schon!) auseinandersetzen zu dürfen, weil damit nur die ohnehin vorhandene Kritik der Männer unterstützt würde. Dieses Phänomen basiert auf einer Unterstellung, die den Charakter einer Idealisierung hat und „in the long run“ den eh schon brüchigen Boden der Frauenpolitik nur noch brüchiger werden läßt. Die Unterstellung besagt: Frauen sind die besseren und klügeren Menschen, mit ihrem Eintritt in die politischen Machtzentren der Männer gibt es automatisch frischeren Wind, verfliegt die chronische Langeweile, weibliche Macht funktioniert nach anderen (besseren?) Wertmaßstäben. All das passiert nun augenscheinlich nicht, und die Frauen erfaßt so etwas wie Scham, ein Gefühl, in dem sich alle Souveränität verliert.

Die am häufigsten geäußerte Kritik an den neu eingerichteten Frauenressorts bezieht sich auf die geringe öffentliche Repräsentanz von Themen und Personen: Man hört nichts, man sieht nichts. Dieses Phänomen ist allemal vielschichtig. Zum einen ist die Presse auf die große Ankündigungspolitik männlicher Provenienz eingespielt und nimmt fast nichts anderes wahr. Die „urbane Innenstadt“ als politische Vision oder die Absicht, ab sofort Zigtausende von Wohnungen zu bauen — das sind Schlagzeilen, die gewollt sind und an die man gewöhnt ist. Frauenpolitische Initiativen nehmen sich dagegen bescheidener aus, aber auch häufig — bezogen auf das „Machtbare“ — realistischer.

Frauenministerien brauchen Geld

Andererseits verbirgt sich im Umgang der Frauen mit öffentlicher Repräsentanz und medialen Spielregeln auch eine Mentalität, die aus der Enge des familiären Hauses stammt: Erst wenn das Haus ordentlich bestellt ist, die Kinder gut gedeihen, kann sich die Hausfrau „draußen“ zeigen. Das Verhältnis der Frauen zum Öffentlichen ist nicht spontan und selbstverständlich, und die private Sicht auf die Dinge hemmt nicht selten. Gleichwohl könnte das sorgende Prinzip in diesem Verhalten in der Politik offensiv vertreten und kritisch gegen die von einer solchen Tugend ziemlich unberührten Politiker gewandt werden. Aber dazu bedarf es einer öffentlichen Vermittlungsarbeit, sonst bleibt die eigene Arbeit und der mögliche Erfolg unsichtbar.

Ein Frauenministerium braucht einen entsprechend großen Pool von kreativen und frauenpolitisch kompetenten Mitarbeiterinnen, die, mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet, Initiativen und Projekte auf den Weg bringen, die sich nicht in Verwaltungsinterna erschöpfen. In und mit diesen Projekten werden die Prioritäten sichtbar: Es macht einen Unterschied, ob ich meinen Schwerpunkt auf Maßnahmen im Erwerbsbereich setze oder auf solche, die breiter die Lebensbereiche von Frauen ansprechen. Mit solchen Projekten ist es am ehesten möglich, Irritationen in der Gesellschaft auszulösen und Kritik am politischen Diskurs der Männer zu artikulieren. Auf beides kann Frauenpolitik nicht verzichten, wenn sie mehr für sich beansprucht, als ein apartes Dasein neben der herkömmlichen Politikmaschinerie zu fristen.

Eigenes Handeln unter die Lupe nehmen

Das Anliegen der Frauenpolitik, am gesellschaftlichen Alltag von Frauen orientiert, politische Projekte durchzusetzen, trifft am Magistrats- oder Kabinettstisch auf ein Szenario, in dem das Dealen mit den Themen der großen Politik rituell betrieben wird. Spricht die Dezernentin über die Konstruktion von U-Bahnhöfen, in denen sich Frauen ohne Angst bewegen könnten, antworten Männer schon habituell mit Stummheit, scharrenden Füßen oder lautem Dazwischenreden. Aber auch die Frauen selbst sind an der Entwertung ihrer Anliegen beteiligt; wie in einem Spiegel reflektieren sie dann die bestehenden Strukturen: Die Themen der vorgeblich großen Politik sind die, die Macht versprechen. Die eigenen erscheinen dagegen klein, popelig und blaß.

Der Erfolg ist selbstverständlich auch mit Anforderungen an die Frauen verknüpft. So werden die Repräsentantinnen dieser Politik nicht auskommen ohne eine gehörige Portion an Mut, Lust an Konflikten und frauenpolitischem Wollen. Wenn uns die Realität dann Gegenteiliges beschert, ziehen sich die einen enttäuscht zuück, die anderen beklagen, daß von den Frauen wieder einmal besondere Qualifikationen erwartet werden. Das ist wahr und auch wieder nicht. Denn auch männliche Politiker benötigen extra funktionale Qualifikationen wie etwa ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Davon sollten Politikerinnen wiederun gar nicht zuviel mitbringen.

Wenn das historische Experiment Frauenpolitik an Stabilität gewinnen will, ist eine Auseinandersetzung über die auch von den Frauen gestützten Strukturen unabdingbar. Nicht die Interessen der Männer stehen auf dem Spiel, sondern ein politisches Projekt, daß die Souveränität von Frauen braucht, die Bedingungen des eigenen Handelns kritisch unter die Lupe zu nehmen. Dörthe Jung

Die Autorin hat die Frankfurter Frauenschule mitgegründet und u.a. als Referentin bei der Frankfurter Frauendezernentin gearbeitet. Sie betreibt jetzt ein Büro für frauenpolitische Forschung und Beratung.