Türkische Fundamentalisten machen mobil

■ Das Kurdische Institut in Bonn ist zur Zielscheibe von Angriffen fundamentalistischer Türken geworden / Christen, Separatisten und PKK werden in einen Topf geworfen / Aktivitäten moslemisch–nationalistischer Türken gegen Kurden und Armenier haben zugenommen

Von Antje Bauer

Berlin (taz) - Die türkische nationale Einheit, der türkische Nationalcharakter sowie der Islam sind in höchster Gefahr. Diesen Eindruck vermittelt zumindest eine Broschüre, die vor kurzem von einer türkischen „Stiftung für islamische Werte“ in türkischer Sprache herausgegeben und an verschiedene Institutionen und Moscheen in der Bundesrepublik geschickt worden ist. Unter dem Titel: „Aufklärung über die Ungläubigkeit unter christlicher Schirmherrschaft“ wird darin heftig gegen Separatisten und Ungläubige im allgemeinen und gegen das Kurdische Institut in Bonn im besonderen gewettert. Dem Vorsitzenden des Instituts, Yekta Geylani, wird darin vorgeworfen, das Lukas–Evangelium ins Kurdische übersetzt zu haben und sich nicht für den Propheten Mohammed und seine Religion zu interessieren. Geylani wird als „Bandenanführer der Apocus“ (der „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK) bezeichnet, die in letzter Zeit mehrere Massaker an Dorfbewohnern im Südosten der Türkei verübt hat. In dieselbe Kerbe schlägt der Vorwurf ans Deutsche Rote Kreuz, es unterstütze finanziell die Separatisten. Dieser Hinweis bezieht sich auf die Förderung des Kurdischen Instituts durch das DRK. Merkwürdig zeitgleich erschien in der rechten türkischen Tageszeitung Tercüman, die auch in der Bundesrepublik erhältlich ist, vor einer Woche ein Artikel, in dem ebenfalls das Kurdische Institut angegriffen und die Unterstützung dieses Instituts durch SPD, Grüne, Gewerkschafter und Evangelische Kirche beklagt wird. Der Artikel unterstellt den Unterstützern, zwar guten Willens zu sein, aber unbewußt die kurdischen Separatisten zu unterstützen. Das Kurdische Institut in Bonn, das 1983 gegründet wurde, fördert die kulturelle Identität der Kurden, mischt sich aber in politische Angelegenheiten nicht ein. Das Institut hat die erste kurdische Grammatik herausgegeben und plant die Ausgabe eines kurdisch– deutschen Wörterbuchs. Für die moslemischen Kurden hat das Institut den Koran übersetzt, für die Christen unter ihnen das nun inkriminierte Lukas–Evangelium. Da es sich für die Anerkennung des Kurdischen als eigene Sprache und für die kulturelle Identität der Kurden einsetzt, ist es vor allem den türkischen Behörden schon lange ein Dorn im Auge. In der Türkei gibt es offiziell keine Kurden, sondern nur „Bergtürken“, der Gebrauch des Kurdischen und das Drucken von Büchern in kurdischer Sprache ist verboten. Die Bemühungen der Türken, christliche und kurdische Minderheiten in der Türkei totzuschweigen, haben in letzter Zeit wieder Auftrieb erhalten. Äußerer Anstoß war eine kürzlich verabschiedete Resolution des Europaparlaments, in der beklagt wird, daß die Türkei noch heute den Völkermord an den Armeniern bestreitet. Zwischen 1915 und 1917 sind über eineinhalb Millionen Armenier in der Türkei niedergemetzelt bzw. zum Verhungern in die syrische Wüste getrieben worden. Diese Resolution hatte in der Türkei die Wogen der moslemisch–nationalistischen Empörung hochschagen lassen. Den Europaparlamentariern wurde vorgeworfen, durch die Resolution dem Separatismus Vorschub zu leisten. In Berlin waren in der türkischen Gemeinde Unterschriften gegen die Resolution gesammelt worden. Am vergangenen Sonntag hatte ebenfalls in Berlin eine Protestdemonstration von etwa 3.000 Türken stattgefunden, die nach Informationen der taz vom türkischen Konsulat organisiert worden sein soll.