SANDRA KONRAD, CARLEBACH-PREISTRÄGERIN
: Die Heimat, woanders

Ein gelungener Abschluss ihrer Doktorarbeit: Gestern nahm Sandra Konrad den Joseph Carlebach-Preis für ihre Dissertation „Everybody has one’s own Holocaust“ entgegen. In der internationalen Studie befasst sich die 32-Jährige mit den Auswirkungen des Holocaust auf jüdische Frauen dreier Generationen.

„Ich wollte erforschen, in wieweit sich Konflikte und Leid jüdischer Holocaust-Überlebender auf deren Töchter und Enkeltöchter übertragen“, erklärt Konrad ihren Impuls zu der generationsübergreifenden Studie. Sie sprach mit 35 Frauen aus Ländern wie Italien, Israel und den USA über deren individuelle Art der Vergangenheitsbewältigung. An manchen Orten sei die einfacher als an anderen, so Konrad. Eine jüdische Identität mit Deutschland zu verknüpfen falle noch heute vielen Enkeltöchtern schwer. Der Wunsch, Deutschland zu verlassen, habe sich daher zum großen Teil auf die Töchter und Enkeltöchter übertragen, sagt Konrad. Viele fänden nur im Ausland die Möglichkeit, so etwas wie ein Heimatgefühl zu entwickeln.

„Jetzt kommen Sie, warum nicht vor sechzig Jahren schon?“, fragte eine Überlebende sie im Interview. Das versteht Konrad. Für jedes Opfer gebe es die passende Zeit zum Sprechen, aber auch zum Schweigen, sagt sie. Die Rechte der Opfer würden oft missachtet. „Ohne vorher mal die Aufmerksamkeit auf die Opfer zu richten, musste in den achtziger Jahren ganz plötzlich über die Leiden der Holocaust-Opfer geredet werden“, kritisiert Konrad die öffentliche Debatte in Deutschland, „ im Grunde aber konnten viele zu dem Zeitpunkt nicht über ihr Schicksal sprechen oder wollten es noch nicht.“

An der Uni Hamburg studierte Sandra Konrad Psychologie, Sexualwissenschaften, Psychiatrie und Germanistik. Im Grindelviertel bietet sie in ihrer eigenen Praxis Paar- und Familientherapien unter anderem auch zum Thema Mehrgenerationale Beratung an.

Ihr Buch mit dem Arbeitstitel „Everybody has one’s own Holocaust“ umfasst neun jüdische Familienportraits und erscheint im September im Psychosozial-Verlag. JB