Bewährungsprobe für Senatskritiker

TEMPELHOF BUND-Geschäftsführer hat mangelnde Bürgerbeteiligung beklagt. Jetzt darf er selbst ran

„Wie macht man den Prozess so, dass alle mitreden können?“

TILMANN HEUSER, BUND

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) holt einen seiner Kritiker ins Boot: BUND-Landesgeschäftsführer Tilman Heuser bekommt einen Zweitjob und wird im Auftrag des Senats die Bürgerbeteiligung zum Tempelhofer Feld koordinieren. Heuser habe sich „während des Volksentscheids kritisch zu Wort gemeldet, aber dabei stets Wege für die Weiterentwicklung des Tempelhofer Feldes gesucht“, lobte Müller am Mittwoch. Heuser sagte, er werde dafür auch vom Senat bezahlt, über die Details werde noch verhandelt.

In dem Gesetzentwurf gegen eine Bebauung des Feldes, für den die Berliner Ende Mai gestimmt haben, heißt es: „Für das Gebiet ist ein Entwicklungs- und Pflegeplan unter Partizipation der Bevölkerung aufzustellen.“ Es geht dabei darum, wie und wo die Vorgaben aus dem Gesetz realisiert werden sollen: Wo kommt welche Sportanlage hin? Wie wird das Regenwasser aufgefangen? Wie werden seltene Tierarten geschützt? An welcher Stelle werden Gemeinschaftsgärten angelegt? Wie werden die Spuren aus der Historie des Feldes sichtbar gemacht? Wie werden die Biotope geschützt? Wo kommt die Gastronomie hin?

Mitmachen können alle

Am 27. September wird es eine erste Planungsrunde geben. Dort soll darüber gesprochen werden, wie das Verfahren überhaupt ablaufen soll. Anschließend sollen Wünsche und Ideen der Bürger in einem Onlinedialog abgefragt werden. „Bis zum Sommer 2015 sollte das Konzept für einen Entwicklungs- und Pflegeplan vorliegen, damit wir dann mit der konkreten Umsetzung beginnen können“, so Müller.

Heuser kündigte an, in dem Prozess könne sich jeder beteiligen, der wolle. „Das wird das Kernproblem sein: Wie macht man den Planungsprozess so, dass alle mitreden können, wir aber nicht endlos diskutieren? Es soll ja auch Spaß machen.“ Wenn es verschiedene Ansichten gibt, werde nicht abgestimmt, sondern sollen die unterschiedlichen Positionen wiedergegeben werden. Am Ende bleibt die formale Entscheidungskompetenz ohnehin bei Stadtentwicklungsverwaltung und Abgeordnetenhaus – die können festlegen, was umgesetzt wird. Müller: „Am Ende muss das Parlament als Haushaltsgesetzgeber die Chance haben, draufzuschauen und zu entscheiden.“ Man werde die Ergebnisse aus dem Prozess allerdings ernst nehmen, kündigte der Senator an. Bei dem Verfahren können Feldbesucher mitmachen, außerdem Verbände wie der Landessportbund, die Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld, Naturschutzverbände, aber auch Politiker und Senatsverwaltungen.

Für Tilman Heuser wird das Verfahren auch persönlich zu einer Bewährungsprobe: In der Vergangenheit hatten er und der Bund für Umwelt und Naturschutz häufiger kritisiert, dass der Senat die Beteiligung der Zivilgesellschaft nur halbherzig umsetzt und Bürger nicht ernst nimmt. Jetzt muss er zeigen, ob er es besser kann.

Katrin Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, hält es für „erfreulich, dass der Senat endlich seine Schockstarre überwunden und offenbar erkannt hat, dass es seine politische Aufgabe ist, mit dem Ergebnis des erfolgreichen Volksentscheids zum Tempelhofer Feld umzugehen und an der Umsetzung des Volksgesetzes zu arbeiten“. Tilman Heuser sei eine gute Wahl: „Der BUND und Heuser als sein Landesgeschäftsführer haben in dem gesamten Prozess Sachkunde, Unabhängigkeit und Konfliktfähigkeit bewiesen und genießen den entsprechenden Respekt in der Öffentlichkeit.“ SEBASTIAN HEISER