Fans gegen Nazi-Kuschelecke

Der Umgang mit einem Nazi-Überfall auf die Party einer antirassistischen Fan-Gruppe im Bremer Weser-Stadion spaltet den Verein und seine Fans. Die einen fordern Schweigen, die anderen Debatte

aus Bremen CHRISTIAN JAKOB

„Es bleibt der schale Geschmack, dass hier etwas gedeckelt werden sollte.“ Eine misstrauische Atmosphäre herrscht zur Zeit in den Internet-Foren der Werder-Bremen-Fans. Vor knapp zwei Wochen wurde die Party einer Werder-„Ultra“-Fangruppe von rechten Hooligans überfallen. Knochenbrüche und Gehirnerschütterungen waren die Folge, zwei Menschen mussten stationär im Krankenhaus behandelt werden – doch kaum jemand erfuhr davon. Seit die taz am Montag berichtete, diskutieren die Werder-Fans im Netz über den richtigen Umgang mit der Nazi-Attacke.

Viele der Werder-Freunde fürchten offenbar zu viel Öffentlichkeit. Verschiedene Nutzer forderten die Moderatoren auf, die öffentlichen Diskussionsbeiträge zu dem Überfall zu sperren, bis die Angelegenheit „intern geklärt“ sei. Die Fanszene solle sich „zu gegebener Zeit äußern“. Es sei nicht hilfreich, schreibt ein weiterer Nutzer, „wenn die Situation von Unbeteiligten zerredet wird“. Andere Fans befürchten, der Verein könnte zur „Kuschelecke für Nazis werden“, wenn ein solche Angriff – wie geschehen – eine ganze Woche lang totgeschwiegen werde.

Am vorvergangenen Wochenende war die antirassistische Werder-Bremen-Fangruppe „Racaille Verte“ ein Jahr alt geworden und hatte zwölf Mannschaften aus der „Ultra“-Szene zu einem Fußballturnier eingeladen. Später feierten rund 150 meist jugendliche Fußballer im Ostkurvensaal des Weser-Stadions. Gegen ein Uhr griff eine Gruppe von etwa zwanzig Hooligans aus dem Neonazi-Spektrum die Feier an. „Die sind mit Stühlen und Flaschen auf uns losgegangen, haben einige Leute herausgegriffen und gezielt zusammengeschlagen“, erzählt ein Partygast. Als einige der Jugendlichen versuchten zu flüchten, seien ihnen Nazis hinterhergerannt, hätten sie zu Boden geworfen und getreten. Einem Fan, den die Angreifer offenbar für den Anführer von „Racaille Verte“ hielten, brachen sie Nase, Jochbein und eine Zehe.

Von einem „Problem“ mit rechten Fans könne er nicht sprechen, sagte der Fanbeauftragte von Werder Bremen, Dieter Zeiffer, nach dem Überfall: „Der Ausdruck wäre überzogen.“ Das Fan-Projekt des Vereines schlug den Ultras um „Racaille Verte“ einen „Runden Tisch“ zur Klärung der Angelegenheit vor – unter Beteiligung der Angreifer. Die Ultras aber wiesen das Angebot zurück: „Wir werden uns nicht mit Nazis an einen Tisch setzen.“ In den nächsten Tagen ist allerdings ein Gespräch mit Vereins-Vertretern geplant.

„Racaille Verte“ glaubt, dass der Überfall auf ihre Party seit längerem geplant war. In einem von ihnen verbreiteten Augenzeugenbericht ist die Rede davon, dass während des Hooligan-Angriffs eine weitere Gruppe von Nazis auf dem Osterdeich, oberhalb des Stadions, Stellung bezogen und die Attacke durch eine aufgestellte Kamera gefilmt habe.

Gleichzeitig betonen „Racaille Verte“, „keinesfalls“ eine „linke“ Fan-Gruppe zu sein. „Wir haben eine antirassistische und antifaschistische Einstellung, sind aber keine politische Gruppe.“ Man engagiere sich in erster Linie für den SV Werder und eine „laute Fan-Kurve“.

Werder-Bremen-„Ultra“-Gruppen hatten sich in der Vergangenheit mehrfach gegen die Modemarke „Thor Steinar“ im Weser-Stadion stark gemacht – wegen deren Beliebtheit in Nazi-Kreisen. Dies war von Hooligans aus der rechten Szene als „linksfaschistische Gesinnungsschnüffelei“ bezeichnet worden.

Die Firma Mediatex aus Königs-Wusterhausen, Betreiber der Marke „Thor Steinar“, weist den – auch in der taz wiedergegebenen – Vorwurf des Rechtsextremismus indes zurück. „‚Thor Steinar‘ wird nicht von ‚ostdeutschen Neonazis‘ betrieben“, so Rainer Schmidt von Mediatex. Das als „verfremdete SS-Rune“ bezeichnete Symbol „wird bereits seit 2004 nicht mehr von uns verwendet“.