Fraktion beugt die Knie vor Stoiber

Wider Erwarten stürzt die CSU-Landtagsfraktion Stoiber nicht. Ein vorgezogener Parteitag im Herbst soll den Kandidaten für die Landtagswahl 2008 bestimmen. Stoiber ist sich der Unterstützung seiner Partei sicher: „Ich habe absolute Rückendeckung“

AUS WILDBAD KREUTH DOMINIK SCHOTTNER

In Wildbad Kreuth hat ein Stück der rastlosen Berliner Republik Einzug gehalten. Am frühen Mittwochmorgen, nach der zehnstündigen Sitzung seiner CSU-Landtagsfraktion, trat Fraktionschef Joachim Herrmann vor die übernächtigten Journalisten und verkündete, womit nicht viele gerechnet hatten: dass die Fraktion Stoiber nun doch nachgegeben hatte und die Entscheidung über den Spitzenkandidaten der nächsten Landtagswahl einem vorgezogenen Parteitag im September überlässt.

Zu der Zeit, um 1 Uhr morgens, war die Münchener Abendzeitung mit der Schlagzeile „Edmund Stoiber – Das war’s“ bereits gedruckt und der sonst so korrekte Bayerische Rundfunk hatte einen Nachruf auf Stoiber gesendet. Aber der für politisch tot Erklärte zeigte noch Leben: Er wolle, müsse aber nicht 2008 antreten, bekräftige Stoiber nach der Sitzung. Und: Er habe von der Fraktion die „absolute Rückendeckung“ für seine Politik erhalten.

In einer ungewöhnlich emotionalen und kurzen Rede hatte Stoiber zu Beginn der Klausur am Dienstagnachmittag für seine Position geworben. Wie viele der Parlamentarier ihn unterstützten und wie viele nicht, variierte je nach Standpunkt des Betrachters stark. Wirtschaftsminister Erwin Huber etwa, der am Abend kurz aus dem Sitzungssaal kam, meinte „eine deutliche Mehrheit für Stoiber“ erkannt zu haben. Andere, die sich schon vor der Sitzung gegen Stoiber ausgesprochen hatten, sahen die Mehrheit bei den Stoiber-Gegnern. Am frühen Morgen ließ die CSU dann eine dürftige Erklärung der Fraktion verteilen: „Wir stehen zu Edmund Stoiber und der von ihm verantworteten, überaus erfolgreichen und zukunftsweisenden Politik. Die Frage der Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2008 ist offen.“

Am Mittwochmorgen dann wieder Joachim Herrmann, diesmal im ZDF: Ausdrücklich hätten die Spitzen von Partei und Fraktion ins Auge gefasst, in den nächsten Wochen und Monaten über Stoibers Schicksal zu reden. Landtagspräsident Alois Glück forderte hingegen, keine lange Pause einzulegen: „Das muss schnell gehen.“ Glück lehnte gestern zudem einen Antrag der Landtagsfraktionen von SPD und Grünen ab. Beide forderten eine Sondersitzung des Landtags, in der sie den Rücktritt Stoibers beantragen wollten.

Bei seiner Ankunft in Kreuth gestern Mittag gab sich Stoiber betont selbstbewusst. Er sei überzeugt, dass die CSU aus der derzeitigen Situation gestärkt hervorgehen könne – „wenn wir zur Sachpolitik zurückkehren“. Dass er dafür der beste Mann sei, ließ Stoiber auch sogleich wissen: „Wer weiß, dass er keinen unmaßgeblichen Beitrag geleistet hat als Ministerpräsident und Parteivorsitzender, der weiß natürlich um seine Verantwortung weit über seine Zeit hinaus.“

In Berlin beurteilt die CSU das inzwischen ein wenig anders. Der Chef der Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, sagte gestern vor seinem Abflug nach Kreuth: „Ich habe ein vitales Interesse an zügigen Entscheidungen.“ Auf die Frage, wie sich das mit seiner bisherigen Unterstützung für Stoiber vertrage, antwortete Ramsauer: „Die Dinge ändern sich.“

Stoiber ist heute um 15 Uhr mit der Fürther Landrätin Gabriele Pauli in der Münchener CSU-Zentrale verabredet. Pauli hatte im Herbst 2006 mit einem Internetforum die Diskussion über den Ministerpräsidenten losgetreten. Am frühen Abend wird dieser dann in Bamberg auf Vertreter der CSU-Basis treffen. Das Treffen ist das erste von mehreren Auftritten, mit denen Stoiber sein Image ändern will: vom Aktenfresser zum lässigen Staatsmann.

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