Die lässige Kosmopolitin

POLYGLOTTER POP Auf ihrem neuen Album, „Lovely Difficult“, hat die kapverdische Sängerin Mayra Andrade die Melancholie von den Inseln in eine universelle Sprache übersetzt

„Die verschiedenen Sprachen wecken unterschiedliche Emotionen in mir“

MAYRA ANDRADE

VON STEFAN FRANZEN

Die Musik von den Kapverden hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren stetig von ihren einstigen Stereotypen entfernt. War man in den Neunzigerjahren noch weitestgehend auf die meist melancholischen Mornas und die selteneren, beschwingten Coladeiras festgelegt, die Cesaria Evora weltweit populär gemacht hat, so änderte sich das, als Gruppen wie Simentera ihren Fundus um afrikanisch geprägte Rhythmen wie Funaná oder Batuka bereicherten. Die Songwriterin Carmen Souza koppelte später Kapverdisches mit Jazz und Funk, ihre Kollegin Lura verband die Töne des Archipels mit Soul, Sara Tavares mit geschmeidigem Pop. Niemand allerdings hat für das kapverdischen Erbe eine so kosmopolitische Form gefunden wie Mayra Andrade.

Ihr Sound ist sicher auch die logische Konsequenz aus einer Biografie, die sich alles andere als fest im atlantischen Inselreich verorten lässt. Wie so viele Kinder kapverdischer Eltern ist Mayra Andrade nicht auf dem Archipel, sondern ganz anderswo aufgewachsen. Geboren wurde die heute 29-Jährige auf Kuba, ihre frühen Lebensstationen hießen Senegal, Deutschland und Angola. Schließlich landete sie irgendwann in Paris, wo sie 2007 mit ihrem Debütalbum, „Navega“, ihre Musikkarriere startete und bis heute lebt.

Von Beginn an färbte Mayra Andrade ihre Lieder mit französischem Flair, mit Einflüssen angloamerikanischer Songwriter oder brasilianischen Vokabeln. Doch mit ihrem vierten Werk, „Lovely Difficult“, bewegt sie sich noch einen Schritt weiter auf internationales Klangterrain.

Was aber hat es mit dem Titel auf sich? „Den Namen hat mir mein Exfreund gegeben. Er sagte immer, ich sei ja wirklich liebenswert, aber eben auch schwierig“, schmunzelt Andrade. „Nun ja, wir setzen uns wohl alle aus Widersprüchen zusammen. Jedenfalls dachte ich, dieser sehr persönliche Beiname, den er mir gegeben hat, passt gut als Titel, denn es ist ganz klar auch mein persönlichstes Album bisher.“

„Lovely Difficult“ ist ein Songzyklus über die Facetten der Liebe geworden. Schwierig könnte das Album für all jene werden, die nach weltmusikalischen Klischees suchen. „Lovely“ klingt es hingegen für Hörer, die allen stilistischen Lagern gegenüber offen sind. Liebenswert ist es aber auch wegen der geradezu unverschämten Lässigkeit, mit der Andrade mit ihrer leicht angerauten Stimme durch insulare Traditionen, Chansoneskes, Poppiges streift. „Ursprünglich kam die Basis vieler meiner Lieder von den afrikanischen Rhythmen der Kapverden wie dem Funaná oder dem Batuko“, sagt sie. „Aber ich wollte in der Orchestrierung und den Arrangements poppiger werden und von World-Music-Rastern abweichen.“

Die Riege ihrer musikalischen Mitstreiter ist ziemlich international: Aus Ghana stammt der Osibisa-Recke Alfred Bannerman mit Old-School-Gitarrenriffs, aus Brasilien der Cellist Jacques Morelenbaum, aus Frankreich sein Kollege Vincent Ségal, fürs rhythmische Fundament sorgt der kapverdische Perkussionist Zé Luis Nascimento. Das zentrale Thema des Albums habe sich rein beiläufig ergeben, beteuert Mayra Andrade: „Wir wollten einen gleichgewichtigen musikalischen Spannungsbogen schaffen. Dass es dabei immer um die Liebe, geht ist purer Zufall.“

Die Vielsprachigkeit des Albums macht seinen größten Reiz aus. Andrade singt in Kriolu, Englisch, Französisch und Portugiesisch, was mit wechselnden Stimmungen korrespondiert. In den englischen Liedern pflegt sie eine fast schon übertriebene Nonchalance, in den anderen Beiträgen eine eher sonnige Sinnlichkeit. „Die vier Sprachen wecken verschiedene Emotionen in mir. Mal kommt das Gefühl aus den Eingeweiden, mal aus dem Herzen, dem Rachen oder dem Kopf. Im Studio ging das so weit, dass wir je nach Idiom die Mikros und die Pulteinstellungen ändern mussten, da sich mein Timbre veränderte.“

Dieses Wechselbad der Gefühle macht „Lovely Difficult“ so unterhaltsam: Mario Lúcio, ehemaliger Kopf der Band Simentera und heute der Kulturminister der Kapverden, hat ihr eine federleichte Liebeserklärung an die Insel Santiago, ihre Sänger und Komponisten verfasst. Dabei spricht er vom Eiland so zärtlich wie von einer Frau, es ist der kreolischste Moment des Albums. Andrade grüßt aber auch die andere Seite des Atlantiks: Im verschlurften kreolischen Reggae „Les Mots D’Amour“ geht es selbstironisch um die Schwierigkeit, eine Liebe zu gestehen.

Neochanson-Star Benjamin Biolay hat in „Simplement“ das Ende einer Beziehung in leiser Verbitterung skizziert. Doch am erstaunlichsten ist das Hugh-Coltman-Stück „96 Days“, in dem Andrade einen „Love Hangover“ zelebriert, der auch einer 50-Jährigen gut zu Gesicht stünde.

Mit „Lovely Difficult“ hat Mayra Andrade die Melancholie der Kapverden in eine universelle Sprache übersetzt.

■ Mayra Andrade: „Lovely Difficult“ (Sony/Columbia)