Konservative werfen mit Dreck

Mobbing, Rufmord, anonyme Briefe: Die NRW-Nachwuchspolitiker in der Jungen Union machen sich vor ihrem heutigen Landestreffen gegenseitig fertig. Die Mutterpartei CDU schweigt

„Mit 14 soll ich homosexuell gewesen sein, mit 18 ein Nazi.“

Matthias Helferich, Vorsitzender der Landesschülerunion

Im Leitantrag für ihren heutigen NRW-Tag in Oelde betont die Junge Union (JU) die Menschenwürde. „Als mit Würde und von Natur aus begabtes Wesen ist der Mensch immer Subjekt, nie jedoch bloßes Objekt fremden Handelns“, schreiben die CDU-Nachwuchspolitiker. In der eigenen Organisation jedoch verkehren die Jungkonservativen die Bedeutung dieses Satzes ins Gegenteil: Der Umgangsformen im JU-Landesverband werden offenbar immer mehr durch Mobbing und Rufmord bestimmt.

Jüngstes Objekt von Beschimpfungen und Beschuldigungen ist der Vorsitzende der Landesschülerunion, der Dortmunder Matthias Helferich. In anonymen Schreiben, die sowohl an Parteifreunde als auch an Medien verschickt wurden, wird Helferich als Rechtsradikaler dargestellt. Er habe einem schwedischen Mädchen vorgeworfen, nicht „reinrassig arisch“ zu sein, wird da kolportiert. Außerdem habe er den aus dem Amt scheidenden Landeschef der Jungen Union, CDU-Landesgeneralsekretär Hendrik Wüst, auf einer Geburtstagsparty als „Judenschwein“ bezeichnet.

„Anonyme Briefe und Verdächtigungen sind in der JU an der Tagesordnung“, sagt ein junger CDU-Politiker. Dass über fehlende Körperhygiene von Konkurrenten gelästert wird, ist dabei noch harmlos. Meist wird tiefer in die Schmutzkiste gegriffen: Einem Funktionär im JU-Alter wurde die sexuelle Belästigung von Minderjährigen vorgeworfen. Einem wichtigen Jungunionisten aus NRW wird sogar nachgesagt, er habe seine Freundin an einen einflussreichen Parteifreund aus dem Ruhrgebiet „ausgeliehen“, um seine politische Karriere zu befördern.

Belegen können die Angreifer ihre Vorwürfe meist nicht – auch nicht im Fall Helferich. Er kennt die Briefe – es sind nicht die ersten dieser Art, die über ihn verfasst wurden. „Als ich 14 war, wurde über mich erzählt, dass ich homosexuell sei“, sagt Helferich – in der JU gilt das als Beleidigung. „Totaler Müll“ sei diese Unterstellung gewesen, genauso wie die Nazi-Vorwürfe. „Das ist nicht mein Weltbild. Ich war zum Austausch bei einer jüdischen Gastfamilie in den USA“, sagt er. Er sei kein Rechtsradikaler. Sowohl die angeblich angegriffene Schwedin als auch die Gäste der besagten Geburtstagsfeier könnten eidesstattliche Erklärungen abgeben, dass er sich nie antisemitisch geäußert habe.

Auch Parteifreunde bestätigen, dass Helferich „nie mit rechten Sprüchen aufgefallen“ sei. Die Spitze der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen dagegen schweigt: Sowohl Noch-Landeschef Wüst, als auch sein designierter Nachfolger Sven Volmering wollten sich auch auf mehrmalige Anfrage nicht äußern. Auch die nordrhein-westfälische CDU ignoriert den Fall. „Bei Rufmord ist es unglaublich schwer zu vermeiden, dass am Ende doch etwas hängen bleibt“, sagt die Mobbingforscherin Martina Stackelbeck vom Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund. Die Expertin vergleicht die Prozesse in politischen Parteien mit den Abläufen in Wirtschaftsunternehmen: „Immer da, wo es Konkurrenz um Führungspositionen gibt, ist der Nährboden für Mobbing bereitet.“

Tatsächlich ist der Kampf um Ämter und Mandate ein Lebenselixier der CDU-Jugend. Dies gilt besonders, weil die JU weniger ein politischer Richtungsverband als ein Karrierenetzwerk junger Konservativer ist. Wer einer Laufbahn im Weg steht, wird fertiggemacht. Ein JU-Mobbingopfer: „Ich habe zwei Wochen lang kein Auge zugetan, als die Vorwürfe gegen mich auftauchten.“

K. JANSEN, M. TEIGELER