Locker gegen den Strom

VON HEIDE PLATEN

Strahlend, armeschwenkend steht er auf dem Bahnhofsvorplatz von Fulda. Reporterinnen erkenne er sofort, lächelt er zur Begrüßung. Der Mann ist eine Charmeoffensive. Der hessische Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, Alois Rhiel, 55, scheint die Schlagzeilen, die er in den letzten Monaten machte, zu genießen. Von ritterlichem „Kreuzzug“ war da die Rede, Rebell wurde er genannt und „Robin Hood“ der Verbraucher, der den Reichen nehmen und den Armen geben will.

Er winkt mäßig bescheiden ab, ganz so sei das ja auch wieder nicht. Sein Streit mit den 50 hessischen Energieversorgern, deren Anträge auf Strompreiserhöhungen um rund 6 Prozent er im Dezember 2005 erst einmal ablehnte, führe er zum einen im Sinne des geltenden Rechts, zum anderen auch im Interesse des Mittelstandes. Und der ist ureigenste christdemokratische Klientel.

Er habe, versichert Rhiel, vor allem „den Oligopolisten, dem Stromgewinnquartett“ von Eon, EnBW, RWE und Vattenfall, den Kampf aus Prinzip angesagt: „Wir müssen die Energiewirtschaft mehr nach kaufmännischen Gesichtspunkten und wie jeden anderen Wirtschaftszweig auch behandeln.“ Nur dann hätten auch preiswertere und kleinere Anbieter eine Chance zum fairen Wettbewerb. Dass viele seiner Ministerkollegen bisher die Anträge der Stromversorger fast widerstandslos durchwinkten, kann er nicht verstehen. Denn Kontrolle sei möglich: „Da ist geltendes Recht nicht angewandt worden.“

Rhiel, Lachfältchen, blaue Augen, referiert gern über sein Lieblingsthema, den Strommarkt. Ein anderes Steckenpferd ist die Anthroposophie. Kein Wunder: Der Politiker war sieben Jahre Manager im Vorstand der nordhessischen Lebensmittelkette tegut, die sich den Kriterien des nachhaltigen Wirtschaftens verpflichtet hat. 30 Prozent der angebotenen Waren sind Bioprodukte. Trotzdem hält Rhiel das Thema Weltanschauung kurz. Er sei vor allem „engagierter Christ“, Katholik, in seiner Freizeit aktiv in der Kirche und der Tradition der katholischen Soziallehre verpflichtet – und einem klaren marktwirtschaftlichen Kurs. Der habe aber nichts zu tun mit dem „naiven Marktliberalismus“ der FDP. Rhiel definiert sich als ordoliberal. Er sei zwar felsenfest überzeugt davon, dass Wettbewerb der beste Verbraucherschutz sei. Aber der Staat müsse ordnend eingreifen, auch „scharf regulieren“ und verbindliche Spielregeln für alle festlegen. Netzmonopole führten zu „Wettbewerbsversagen“. Privilegien, Subventionen, Lobbyismus seien ihm ein Gräuel, so Rhiel.

Und diese Ideale will er, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, durch sein Engagement in der CDU durchsetzen. In Frankfurt arbeitete er zunächst als Referent in der Stadtkämmerei, ging dann als Vertriebsleiter in die Wirtschaft, wurde Fuldaer Bürgermeister. Der damalige Ministerpräsident Walter Wallmann beorderte ihn 1989 ins Regierungspräsidium. Danach wieder sieben Jahre Management, dann 1998 die Rückkehr in die Politik.

Als Oberbürgermeisterkandidat im traditionell rabenschwarzen Fulda musste er sich Anerkennung erst erarbeiten. Seine lockere Art, so eine alteingesessene Wählerin, die die arroganten Machtdemonstrationen und die altväterliche Steifheit der CDU-Altvordern Dregger und Kanther schätzte, sei ihr erst einmal „stoffelig“ vorgekommen.

Das mögen auch die großen Energiekonzerne so sehen, deren Preispolitik er bei einer Regierungserklärung im Landtag „zutiefst unsozial“ nannte. Es sei außerdem eine „Unverschämtheit“, dass so wenig in die Netze investiert werde, obwohl „gleichzeitig die Gewinne neue Höchststände erreichten“. Doch der Kampf gegen höhere Strompreise habe „sichtbare Erfolge gezeigt“. Hessen habe mittlerweile nach Niedersachsen die bundesweit niedrigsten Tarife.

Selbst die Grünen zollten ihm kurze Zeit nach der Landtagsdebatte Respekt, als er vorschlug, die Emissionszertifikate für 2008 nicht mehr kostenlos an die Stromerzeuger abzugeben, sondern sie zu verkaufen. Zuvor hatte die grüne Landtagsfraktion „eine Arie des Eigenlobs“ gewittert. Der Minister applaudiere sich selbst nur dafür, dass er geltendes Recht anwende. In Wirklichkeit sei er aber zögerlich, wolle sich nicht festlegen, es sich am Ende mit niemandem verderben und habe bei anderen Aufgabengebieten bisher völlig versagt.

Rhiel habe Recht, Luftverschmutzung dürfe nicht umsonst zu haben sein, pflichtet nun der Grünen-Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir dem Wirtschaftsminister bei. Rhiel macht es eben auch der Opposition schwer.