taz gewinnt vor Gericht: Man darf über "Bild"-Leser lachen
Der auf Betreiben des Springer-Konzerns verbotene taz-Kinospot ist wieder zu sehen. Im Streit vor dem Bundesgerichtshof siegte die taz gegen die "Bild"-Zeitung.
KARLSRUHE taz | Die taz darf ihren Kino-Werbespot "Kiosk I und II" (siehe Player unten) wieder zeigen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der Springer-Verlag hatte den Spot 2005 kurz nach dem Start per einstweiliger Verfügung stoppen lassen, weil darin die Bild-Zeitung verächtlich gemacht werde. Jetzt muss Springer die Verfahrenskosten bezahlen.
<object width="425" height="344"><param name="movie" value="http://www.youtube.com/v/skY4nddl5q0&hl=de&fs=1&rel=0"></param><param name="allowFullScreen" value="true"></param><param name="allowscriptaccess" value="always"></param><embed src="http://www.youtube.com/v/skY4nddl5q0&hl=de&fs=1&rel=0" type="application/x-shockwave-flash" allowscriptaccess="always" allowfullscreen="true" width="425" height="344"></embed></object>
"Kalle, gib mal Zeitung", sagt ein bierbäuchiger Typ mit Jogginghose und Unterhemd. "Is aus" entgegnet der Kioskbesitzer und gibt ihm statt dessen eine taz. Der Kunde wirft einen Blick hinein und schaut entsetzt. Erst dann bekommt er seine Bild-Zeitung. Gefoppt - alle am Kiosk lachen. Am nächsten Tag kommt der Bullige wieder: "Kalle, gib mal taz". Jetzt schaut der Kiosk-Besitzer entgeistert, bis der Kunde losprustet vor Lachen. Zurückgefoppt. Nun erscheint der Schriftzug: "taz ist nicht für jeden. Das ist ok so."
Diesen Spot hat das Oberlandesgericht Hamburg 2007 verboten. Das Gericht berief sich auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Danach ist vergleichende Werbung nicht erlaubt, wenn sie "herabsetzend" wirkt. Beim taz-Spot würden Bild-Leser als "dumm und begriffsstutzig" dargestellt, sie seien nicht in der Lage, die anspruchsvolle taz zu verstehen, so die Hamburger Richter. Sie räumten zwar ein, dass der Spot "witzig" und "künstlerisch anspruchsvoll" sei, außerdem weise er einen "nicht unerheblichen Wahrheitskern" auf - dennoch hielten sie ihn für "unangemessen".
Gegen diese Entscheidung ging die taz in Revision zum Bundesgerichtshof und berief sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit. "Die Aussage ,taz ist nicht für jeden' ist doch nicht herabsetzend", betonte Anwältin Cornelie von Gierke. Die Personen an der Trinkhalle seien auch "nicht unsympathisch" dargestellt.
Bild-Anwalt Thomas von Plehwe sah das ganz anders. Der Spot sei "menschenverachtend, eine gezielte Herabwürdigung der Bild-Leser". Die Darstellung von Menschen, die "kaum des Lesens mächtig" seien, ziele auf deren Menschenwürde ab.
Den BGH hat diese Argumentation nicht überzeugt. Nach Ansicht, der Karlsruher Richter will die taz nur sagen, dass sie eben nichts für den Massengeschmack sei. Unzulässig wäre eine vergleichende Werbung nur wenn sie die Konkurrenz "dem Spott und der Lächerlichkeit preisgebe. Das sei beim taz-Spot aber nicht der Fall. Ein Durchschnittsverbraucher sei heute an "humorvolle und pointierte" Aussagen in der Werbung gewöhnt.
(Az.: 1 ZR 134/07)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!