Bauprojekt Zeise-Parkplatz: Bezirksamt übergeht Fraktionen

Überraschend Baugenehmigung für Scholz&Friends-Gebäude in Ottensen erteilt – trotz Bürgerbegehrens. Bezirksversammlung außen vor.

Wollen nicht nur in Ottensen wohnen, sondern auch dort arbeiten: die Werber von Scholz&Friends. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die überraschende Baugenehmigung für das Bürogebäude der Werbeagentur Scholz&Friends auf dem Zeise-Parkplatz in Ottensen hat am Mittwochabend zu einem Eklat im Hauptausschuss der Bezirksversammlung Altona geführt. Am Nachmittag hatte Bezirksamtsleiterin Liane Melzer (SPD) die Genehmigung aushändigen lassen – ohne dass sie den tags zuvor tagenden Bauausschuss davon informiert hätte und ohne, dass sie dem Hauptausschuss, geschweige denn der Bezirksversammlung die Gelegenheit gegeben hätte, sich damit zu befassen.

Damit habe das Bezirksamt gegen das Bezirksverwaltungsgesetz verstoßen, kritisiert CDU-Fraktionschef Uwe Szczesny. Denn das Bezirksamt habe alle Angelegenheiten von bezirklicher Bedeutung der Bezirksversammlung vorzustellen. Das wäre in diesem Fall gegeben gewesen, weil ein Bürgerbegehren gegen das Projekt laufe, das damit überdies missachtet werde. „Wie hier mit dem Bürgerbegehren umgegangen wird, ist ganz schlechter Stil“, sagt Szczesny.

Das geltende Planrecht für den Zeiseparkplatz neben dem gleichnamigen Kino sieht eine gewerbliche Bebauung vor. Davon hatte die Bezirksversammlung zunächst abweichen wollen, um den Bau von 86 Wohnungen zu ermöglichen. Doch dann schlug der Bauherr Procom Invest plötzlich ein sechsstöckiges Bürogebäude vor, in das die Werbeagentur Scholz&Friends mit 850 Arbeitsplätzen einziehen wolle. Die Bezirksversammlung nahm das mit Ausnahme der Linken und einzelner Grüner wohlwollend zur Kenntnis.

Gegen diesen Plan startete die Initiative „Pro Wohnen Ottensen“ ein Bürgerbegehren. Ihr Ziel ist es, den Parkplatz zu einem allgemeinen Wohngebiet umwidmen zu lassen: Im Stadtteil fehlten bezahlbare Wohnungen, heißt es in der Begründung. Das große Bürogebäude zerstöre „das sensible Gleichgewicht zwischen Wohnen und Arbeiten im Ortskern“. Im Dezember hatte die Initiative genügend Unterschriften gesammelt, um weitere Beschlüsse der Bezirksversammlung zu vereiteln. Anfang Mai 2015 hatte sie die nötigen Unterschriften für einen Bürgerentscheid eingeholt.

Folgt man der Argumentation von Bezirksamtsleiterin Melzer, hätte sich die Initiative die Mühe sparen können. Schon vor Anmeldung des Bürgerbegehrens, habe der Bauausschuss am 14. Oktober dem Vorbescheid für den Scholz&Friends-Bau zugestimmt. Damit bestehe ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung, teilte Melzer mit. „Das Bürgerbegehren kann vor diesem rechtlichen Hintergrund keine Sperrwirkung entfalten.“

Ob das stimmt, ist nicht gewiss, weil unklar ist, ob der Bauvorbescheid für das Gebäude oder nur für die Baugrube erteilt wurde. Einen ersten Vorbescheidsantrag für das Gebäude hatte der Investor gleich wieder zurückgezogen. Aber selbst wenn Melzer Recht haben sollte, wäre ihr Vorgehen ein Affront, findet Linken-Fraktionschef Robert Jarowoy: „Sowohl der Hauptausschuss als auch die Bezirksversammlung und die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens sind total verarscht worden.“

CDU-Fraktionschef Szczesny unterstellt dem Bezirksamt politische Trickserei: „Wir alle vermuten, dass das extra geschehen ist, damit sich der Senat nicht mit der Angelegenheit befassen muss“, sagt Szczesny. Er geht davon aus, dass CDU, Grüne und Linke die Genehmigung abgelehnt hätten, so dass am Ende der rot-grüne Senat über den Bauantrag hätte entscheiden müssen – und damit in die Verlegenheit gekommen wäre, sich gegen ein Bürgerbegehren zu stellen.  

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