Rechte der Sinti und Roma: Nicht mehr weiter wie bisher

Rot-Grün in Niedersachsen plant einen Staatsvertrag, der die Kultur und Identität der Sinti und Roma schützen und ihnen größere Chancen einräumen soll.

Wollen sich nicht länger mit Vorurteilen herumplagen müssen: Sinti und Roma. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die niedersächsischen Grünen wollen die Stellung der Sinti und Roma im Land stärken. Wie sie in einer Erklärung anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen bekräftigen, setzen sie sich „für einen Staatsvertrag mit den Sinti und Roma nach baden-württembergischen Vorbild ein“. Wie auch ihr Koalitionspartner SPD wollen sie der nationalen Minderheit damit mehr gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe verschaffen.

Ob die Vereinbarung die Form eines Staatsvertrages annehmen wird, wie er gerade mit den Muslimen verhandelt wird, oder eher die einer Rahmenvereinbarung, ist noch offen. Sie soll jedenfalls das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten umsetzen, das Deutschland bereits 1995 unterschrieben hat.

Sinti und Roma wurden von den Nationalsozialisten mit rasseideologischer Begründung genauso vernichtet wie Juden. Noch heute sehen sie sich in weiten Teilen der Bevölkerung mit Vorurteilen gegen „Zigeuner“ konfrontiert. Erschreckend viele von ihnen haben noch nicht einmal eine abgeschlossene Schulausbildung: Der Sinti-Verband habe 2012 dazu eine Studie machen lassen – „mit verheerendem Ergebnis“, wie Boris Erchenbrecher vom Niedersächsischen Verband Deutscher Sinti sagt.

Wegen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der Randexistenz, in die die Überlebenden nach dem Krieg gedrängt wurden, seien mehrere Generationen Sinti und Roma um ihre Schulbildung gebracht worden. Die Eltern seien deshalb oft nicht in der Lage, auf ihrem Bildungsweg zu helfen. Deshalb seien Beratungsstellen nötig, am besten mit Sinti und Roma besetzt, um diese Kinder, Jugendlichen und Eltern zu unterstützen.

Das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten haben Rheinland-Pfalz, Bremen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg bereits umgesetzt.

Vier Gruppen mit eigener Identität, aber deutscher Staatsangehörigkeit hat die Bundesregierung definiert:

die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein

die Sorben in Sachsen und Brandenburg

die Friesen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen

die Sinti und Roma

Erchenbrecher erhofft sich, dass die Förderung für diese Beratungsstellen durch eine Rahmenvereinbarung mit dem Land verstetigt werden kann und dass sich mit ihrer Hilfe auch „lebendige Begegnungszentren in den Städten“ aufbauen lassen, in denen Sinti und Roma ihre Kultur pflegen können. Er verspricht sich, „dass die Arbeit aufgewertet und abgesichert wird, die die Vereine machen“. Es sei zu erwarten, dass, wenn es um Projekte wie gegen Antiziganismus geht, die Sinti und Roma auf Augenhöhe beteiligt werden.

Bei dem SPD-Abgeordneten Christos Pantazis dürfte Erchenbrecher mit seinen Vorstellungen offene Türen einrennen. Beim Roma-Tag 2014 hatte eine Umsetzung der Vorgaben des Europarats als Teil eines „Paradigmenwechsels hin zur Teilhabe“ die rot-grüne Koalition erklärt.

Die grüne Fraktionschefin Anja Piel findet es besonders wichtig, dass sich die Forschung mit der Geschichte der Sinti und Roma auseinandersetzt und dass diese Geschichte in den Schulen gelehrt wird. Für vorbildlich hält sie den Rat, den Baden-Württemberg aus Vertretern der Minderheit, der Landesregierung, des Landtages und der Kommunen eingerichtet hat.

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