Reform des Verfassungsschutzes: Freibrief für extremistische Spitzel

V-Leute sollen künftig nicht mehr bestraft werden, wenn sie szenetypische Delikte wie den Hitler-Gruß begehen. So will es die Bundesregierung.

Wenn das da oben ein V-Mann ist, darf der Polizist da unten weiter wegschauen: Nazi-Geste am Rande einer Antifa-Demo, 2009 in Berlin. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | V-Leute dürfen künftig bestimmte Straftaten begehen, ohne Strafe befürchten zu müssen. Das ist die bemerkenswerteste Neuerung bei der Reform des Verfassungsschutzes, die die Bundesregierung plant.

V-Leute (Vertrauensleute) sind Extremisten, die dem Verfassungsschutz gegen Geld aus dem Innenleben ihrer Szene berichten. Wenn sie Straftaten begingen, wurden sie bisher bestraft wie andere auch, jedenfalls offiziell. Ihr Doppelleben konnte allenfalls strafmildernd berücksichtigt werden. Bei geringfügigen Taten wurde das Verfahren oft wohl einfach eingestellt.

Doch nun soll es eine ausdrückliche Rechtfertigung für Straftaten im Bundesverfassungsschutzgesetz geben. Anlass dafür ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das 2011 einen V-Mann des Bundesnachrichtendienst wegen Mitgliedschafts in einer terroristischen Vereinigung verurteilte.

Künftig machen sich V-Leute nicht mehr strafbar, wenn sie Mitglied in einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung sind, über die sie berichten sollen. Auch wenn sie an der Fortführung einer verbotenen Vereinigung mitwirken, handeln sie künftig rechtmäßig.

Spitzel dürfen zudem szenetypische Taten begehen, die nicht in Grundrechte Dritter eingreifen, und notwendig sind, um in der Szene nicht aufzufallen. Gemeint sind zum Beispiel Verstöße gegen das Vermummungsverbot auf Demonstrationen, das Zeigen des Hitler-Grußes oder das Schwenken der IS-Fahne.

Auch bei Taten, die in Grundrechte Dritter eingreifen, ist Straffreiheit möglich, aber nicht generell. Bei Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen kann die Staatsanwaltschaft jederzeit das Verfahren einstellen oder eine Anklage zurücknehmen. Voraussetzung ist wieder, dass die Tat notwendig war, um in der Szene nicht aufzufallen. Zudem darf sie „nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts sein“. Dabei kann die Staatsanwaltschaft nur von Strafverfolgung absehen, wenn im konkreten Fall maximal ein Jahr Freiheitsstrafe droht.

Diese Privilegien sollen künftig nicht nur für V-Leute gelten, sondern auch für Verdeckte Mitarbeiter der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern. Das sind Beamte, die unter einer Legende in die Szene eingeschleust werden, um von dort zu berichten. Auch verdeckte Mitarbeiter und V-Leute des Bundesnachrichtendienstes sollen künftig vor Strafverfolgung geschützt werden.

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