Verdeckte Ermittlerin in der Roten Flora: Noch ein Einsatz, aber keine Belege

Die verdeckte Ermittlerin Iris P. hat seit 2004 auch für das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein die linke Szene infiltriert. Die Akten sind lückenhaft.

Die Rote Flora in Hamburg. Iris P. war emsig – und nicht nur dort als verdeckte Ermittlerin tätig. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Affäre um den Einsatz der Staatsschützerin Iris P. alias „Iris Schneider“ als „verdeckte Ermittlerin“ (VE) im besetzten autonomen Zentrum Rote Flora in Hamburg und beim linken Radio „Freies Sender Kombinat“ (FSK) wirft immer mehr Fragen auf.

In einer am Samstag veröffentlichten Anfrage des schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, Patrick Breyer, räumt das Kieler Innenministerium für das Landeskriminalamt (LKA) ein, 2004 ein Ermittlungsverfahren auf Weisung der Bundesanwaltschaft vom Bundeskriminalamt gegen die „Autonome Zelle in Gedenken an Ulrike Meinhof“ (AZUM) übernommen zu haben. Unterlagen seien aber weder beim LKA noch bei der Polizeidirektion Kiel mehr vorhanden – aufgrund der Löschfristen.

Alle Angaben würden daher „erinnerungsbasierend“ nach Aussagen der damals eingeweihten Beamten erfolgen. „Der im LKA Schleswig-Holstein erinnerliche VE-Einsatz“ sei aufgrund eines Beschlusses des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ erfolgt, so das LKA.

Die AZUM hatte sich im Oktober 2000 zu einem Brandanschlag auf die Polizeistation in Bönningstedt (Kreis Pinneberg) nahe Hamburg bekannt, galt aber für die Sicherheitsbehörden schon ab 2003 als „aufgelöst“. Von der vorangegangenen Ermittler-Tätigkeit von Iris P. für das Bundeskriminalamt und das Hamburger Landeskriminalamt ab 2001 habe sich das LKA in Kiel nicht informieren lassen. Über den Einsatz von „Iris Schneider“ und ihre aktive Mitwirkung beim „Freies Sender Kombinat“ unter Leitung des LKA Kiel hätten die jeweiligen rot-grünen und schwarz-roten Landesregierungen keine Kenntnis bekommen, so die heutige Kieler Landesregierung.

Aus den heute noch vorliegenden Akten bei der Flensburger Staatsanwaltschaft, die 2008 das Ermittlungsverfahren übernommen und eingestellt hatte, ergebe sich „kein Hinweis darauf“, das ein BGH-Ermittlungsrichter den verdeckten Einsatz angeordnet habe. „Diese Dokumentationslücken in der Ermittlungsakte sind erstaunlich und klärungsbedürftig“, kritisiert Pirat Breyer. „Warum fehlt hier jede Spur der verdeckten Ermittlerin?“ Dieser rechtsstaatlich hochproblematische Fall müsse aufgearbeitet werden, so Breyer. Es gehe dabei um die Rundfunkfreiheit, um Datenschutz und um mutmaßliche Liebesbeziehungen der verdeckten Ermittlerin.

Die Grünen und die Linke in Hamburg haben angekündigt, nach der Wahl am Sonntag in der neuen Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem gesamten Komplex zu beantragen. Denn neben der Rolle von Iris P waren erwiesenermaßen auch parallel mehrere Polizeibehörden involviert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.