Kommentar US-Waffen für die Ukraine: Eskalation garantiert

Die US-Debatte über Waffen für die Ukraine riecht nach Verstetigung des Konflikts mit Russland. Diplomatische Lösungen werden so torpediert.

Halten sie bald mit Waffen aus US-amerikanischer Produktion in der Hand? Ukrainische Scharfschützen während eines Gefechts mit prorussischen Separatisten nahe Donezk im Januar. Bild: reuters

Dieser Vorschlag hat politisches Gewicht: Acht ehemals leitende Mitarbeiter der Regierung Obama aus vier großen US-Denkfabriken fordern, die Ukraine mit Waffen zu beliefern. Drei Jahre lang soll Kiew für je eine Milliarde Dollar aus den USA Rüstungsgüter bekommen, um den prorussischen Separatisten besser Widerstand leisten zu können. Gepanzerte Radfahrzeuge, Artillerieortungsradare, Panzerabwehrraketen, Störsender, Aufklärungsdrohnen.

Für die Autoren ist klar: Allein der russische Präsident, Wladimir Putin, trägt die Verantwortung für diesen Konflikt. Er bedroht die europäische Sicherheitsordnung, in der nach dem Kalten Krieg die Grenzen der NATO weit nach Osten verschoben wurden. „Die Geschichte lehrt, dass der einzige Weg eine solche Agression zu stoppen, bevor sie einen regionalen oder gar weltweiten Großbrand heraufbeschwört, darin besteht, sie so früh wie möglich abzuschrecken und sich dagegen zu verteidigen(...)“, schreiben die Autoren.

Okay. Eine Woche vor der Münchener Sicherheitskonferenz läßt das München von 1938 grüßen. Ein Paukenschlag, um den Ton vorzugeben. Doch wer, bitte schön, ist in dieser Analogie Wladimir Putin? Welcher Russe sollte angesichts dieses Vergleichs noch Lust verspüren, ernsthaft zu diskutieren?

Klar ist, der Vorschlag soll provozieren. Auch die europäischen NATO-Staaten, denn auch sie sollen Kiew Waffen liefern. Polen, das Baltikum, Kanada und Großbritannien könnten dazu bereit sein. Aber will die ganze NATO tatsächlich tiefer in den Ukraine-Konflikt hingesogen werden? Oder geht es vor allem darum, Kiew irreversibel den Weg in die NATO zu öffnen?

Das endgültige politische Ziel spielt im Moment nicht die entscheidende Rolle. Bis eine erweiterte Militärhilfe umgesetzt werden kann, fließt in jedem Fall noch viel Wasser den Potomac hinunter. Zunächst muss der Kongress das Geld bewilligen. Das braucht Zeit. Allerdings umschifft eine Debatte über größere Rüstungshilfen geschickt eine andere Fragestellung: Was könnte Washington tun, um die Heißsporne in der Kiewer Regierung zu mehr Zurückhaltung oder zumindest zu militärischem Realismus zu bewegen, um Raum für politische Kompromisse zu generieren?

Eines macht der Vorschlag deutlich: So löst man keine Konflikte, so eskaliert man sie. Weil man sich im Recht des Stärkeren wähnt. So torpediert man diplomatische Lösungen, an denen man andere arbeiten lässt. Das könnte Absicht sein. Denn nur ein dauerhafter Konflikt mit Russland garantiert die Vormachtstellung Washingtons in Europa auf Jahrzehnte.

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