taz Serie: Wirklich gut regiert?: Polizei bleibt intransparent

Die taz.nord analysiert vier Jahre SPD-Innenpolitik in Hamburg: Senator Michael Neumann verwaltet den Apparat nur statt ihn zu reformieren.

Eine Menge aufzuarbeiten: Mehrere Einsätze gerieten außer Kontrolle. Bild: dpa

„Law and order is a labour issue“: Dieser Satz von Tony Blair gilt auch in Hamburg. Mit Sicherheit und Ordnung bedienen Sozialdemokraten regelmäßig ihren rechten Wählerflügel, um die Union und rechte Protestparteien kleinzuhalten. Gleichzeitig fordern grün-affine Wähler mehr Sensibilität für Bürgerrechte von der SPD ein. Ein Spagat, mit dem sich der Senat schwer tut.

Fast scheint es, als fremdele der Innensenator noch nach vier Jahren mit seinem Amt. Michael Neumann verwaltet den Apparat, eine Reformierung der Ordnungsmacht zu einer modernen, transparenten Großstadtpolizei ist nicht seine Sache. Zäh hält sich das Gerücht, Neumann stehe nur deshalb weiter für das Amt zur Verfügung, weil er als der Senator, der Olympia nach Hamburg geholt hat, in die Analen der Stadt eingehen möchte.

Die Polizei fremdelt zurück: Als sie vor gut einem Jahr – nach den Scharmützeln um die Rote Flora – St. Pauli, die Schanze und große Teile Altonas zu Gefahrengebieten erklärte, blieb Neumann bei dieser Entscheidung lange außen vor. Die Maßnahme spaltete die Stadt und stellte den SPD-Mann vor seine härteste Bewährungsprobe.

Immer wenn Kritik am Polizeiapparat, einzelnen Einsätzen oder Beamten laut wird, stellt sich der Innensenator ohne Wenn und Aber vor die Polizei. Nach außen bleibt die Polizei gegen Kritik immun. Die Aufarbeitung polizeilicher Fehlleistungen findet, wenn überhaupt, nur intern, niemals aber öffentlich statt. Transparenz Fehlanzeige.

Noch immer gibt es keine externe Kontrolle der Polizei: Wird selbst Hamburgs Verfassungsschutz durch einen Parlamentarischen Ausschuss kontrolliert, fehlt ein Gremium, das auch der Polizei auf die Finger schaut. Dabei gäbe es eine Menge aufzuarbeiten: Mehrere Einsätze, etwa beim Schweinske Cup Anfang 2012 oder bei der Anti-Nazi-Demo am 2. Juni 2012, gerieten außer Kontrolle. Auch wurde nach Einschätzung vieler Beobachter in der ablaufenden Legislaturperiode der Einsatz von Pfefferspray massiv ausgeweitet. Zuletzt sorgte der Einsatz der Spitzelfrau „Iris Schneider“ in der linken Szene, bei dem sich die Polizei geheimdienstlicher Mittel bediente und allzu ungehemmt mit dem Verfassungsschutz kooperierte, für Aufklärungsbedarf.

Für eine Liberalisierung sorgt allenfalls der Generationswechsel. Hartliner wie Gesamteinsatzleiter Karl-Peter Born, personalisiertes Sinnbild polizeilicher Unfähigkeit zur Selbstkritik, schieden altersbedingt aus. Liberalere Beamte wie Bernd Krösser rückten auf und etablierten eine transparente Diskurskultur.

Bei der Abwägung zwischen Polizei- und Bürgerrechten schlägt sich Neumann, wie die meisten seiner Vorgänger, im Zweifel auf die Seite der Polizei. Das belegt die Diskussion über die „Boby-Cams“, jene Schulterkameras, mit dem die Beamten auf St. Pauli Konflikte filmen wollen. Trotz Kritik zahlreicher Juristen und Datenschützer besteht Neumann hier neben Bild- auch auf Tonaufnahmen. Er hat den Zugang der Abgelichteten zu dem Filmmaterial nicht klar geregelt und plant zudem keine externe wissenschaftliche Auswertung des Modellversuchs.

Perfektes Politik-Managment bewies die Landesregierung bei der Lösung des Konflikts um die Rote Flora. Der durchsichtige Versuch von Alt-Besitzer Klausmartin Kretschmer, durch den teuren Rückverkauf des autonomen Zentrums seine Privatfinanzen zu sanieren, wurde vom Senat trickreich, elegant und gerichtsfest unterbunden. Hamburgs strittigste Immobilie wurde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in den Besitz der Lawaetz-Stiftung überführt – der Konflikt damit befriedigt. Dass der zuständige Insolvenzverwalter Nils Weiland dem SPD-Landesvorstand angehört, hat ein Geschmäckle, das aber nur Kretschmer zum Thema machte.

Allerdings war es nicht Neumann, der hier die Fäden zog, sondern die Finanzbehörde. Ans Revers heften kann sich der Innensenator hingegen, den Konflikt mit dem FC St. Pauli um eine Stadionwache in der Gegengerade des Millerntors pragmatisch gelöst zu haben: Die sogenannte Domwache wird nun, trotz anderslautender früherer Zusagen des Kiez-Klubs, außerhalb des Stadions gebaut.

Unverändert hält der Senat aber zwei Faustpfänder für mögliche Verhandlungen über eine Regierungsbildung in der Hand: Das Polizeiorchester und die Reiterstaffel sind erhalten geblieben – gewissermaßen als Running Gag der Innenpolitik und Verhandlungsmasse im Koalitionsgeschachere.  MARCO CARINI

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