Ermittlungen zu Anschlag in Argentinien: Ankläger von Präsidentin Kirchner tot

Staatsanwalt Alberto Nisman hatte schwere Vorwürfe gegen Argentiniens amtierende Präsidentin erhoben. Nun wurde er leblos in seiner Wohnung aufgefunden.

Warf der Regierung vor, sie behindere die Aufklärung des Amia-Anschlags: Alberto Nisman. Bild: reuters

BUENOS AIRES taz | Es mutet an wie ein Politthriller: In Argentinien wurde Sonderstaatsanwalt Alberto Nisman in der Nacht auf Montag tot in seiner Wohnung in Buenos Aires gefunden. Nach Berichten argentinischer Medien lag der 51-Jährige mit einer Schusswunde am Kopf in seiner Badewanne. Neben ihm soll seine eigene Kleinkaliberwaffe gefunden worden sein, auf seinem Schreibtisch Notizen über seine Aussagen, die er am Montag im Kongress machen wollte. Ungeklärt ist, ob es sich um eine Gewalttat oder eine Selbsttötung handelt.

Nisman war seit 2005 für die Aufklärung des Anschlags auf das Gebäude des jüdischen Hilfswerks Amia im Jahr 1994 zuständig. Bei dem Bombenanschlag im Juli 1994 auf das Gebäude der Amia in Buenos Aires wurden 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt. Das siebenstöckige Gebäude wurde vollständig zerstört. Für den Anschlag machte Nisman vor allen den Iran verantwortlich. Bis heute wurde niemand für den Anschlag verurteilt.

Vergangenen Mittwoch hatte Nisman Anzeige gegen Präsidentin Cristina Kirchner, Außenminister Héctor Timerman und noch einige andere wegen der mutmaßlichen Verschleierung des Amia-Anschlags erstattet. Konkret wirft Nisman der Präsidentin vor, mit dem Iran die Lieferung von Erdöl gegen die Straflosigkeit der iranischen Verdächtigen im Fall des Anschlags auf die Amia ausgehandelt zu haben.

Cristina Kircher selbst habe, so Nisman, den Auftrag dazu erteilt, das juristische Vorgehen gegen den Iran für den Getreide-Erdöl-Deal einzustellen und die iranische Forderung nach einer Aufhebung der seit 2007 bestehenden internationalen Haftbefehle von Interpol gegen mehrere iranische Beschuldigte zu erfüllen. Er habe kürzlich 330 CDs mit geheim mitgeschnittenen Telefongesprächen zwischen argentinischen Geheimdienstmitarbeitern und iranischen Vertretern erhalten, mit denen er zeigen könne, wie Argentinien die Vereinbarung mit dem Iran einfädelte.

Dementi der Regierung

Die Regierung wies die Vorwürfe umgehend in scharfer Form zurück. Nisman wollte am Montag vor den Parlamentariern im Kongress sprechen. Dazu wird es nicht mehr kommen.

Dass Argentiniens Außenminister Héctor Timerman hinter den Kulissen mit dem Iran verhandelte, wurde erstmals am 26. März 2011 durch einen Bericht in der Zeitung Perfil öffentlich bekannt. Schon damals berichtete Perfil unter Berufung auf ein geheimes Dokument, die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner könnte dazu bereit sein, die Ermittlungen gegen den Iran wegen der mutmaßlichen Verwicklung in den Bombenanschlag auf die Amia auszusetzen. Als Gegenleistung würde der Iran seine Handelsbeziehungen mit Argentinien intensivieren.

Damals wurde von der Regierung alles strikt dementiert. Erst Stück für Stück wurde überhaupt eingeräumt, dass die Verhandlungen stattfinden.

Kritik an der Wahrheitskommission

Timerman und sein iranischer Amtskollege Ali Akbar Salehi unterzeichneten am 27. Februar 2013 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die umstrittene Vereinbarung. Kernpunkt ist die Bildung einer Wahrheitskommission aus fünf gemeinsam benannten internationalen Experten und jeweils zwei von den Ländern allein zu bestimmenden Mitgliedern. Alle aber dürfen weder die argentinische noch die iranische Staatsbürgerschaft haben.

Die Aufgabe der Wahrheitskommission sei es, steht in dem Abkommen, alle von Argentinien und dem Iran vorgelegten Dokumente im Fall der Amia zu prüfen. Die von Interpol gesuchten Iraner sollen in Teheran vor der Kommission aussagen.

In Wirklichkeit aber, das wollte Sonderstaatsanwalt Nisman belegen, sei das Ziel der Wahrheitskommission gewesen, dass die Wahrheit nie herauskäme. Mit seinem Tod wird das immer wahrscheinlicher.

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