"Schulrebell" will wieder ins Parlament: Scheuerl kann’s nicht lassen

Der „Schulrebell“ Walter Scheuerl tritt bei der Wahl im Februar als Einzelkandidat in Blankenese an. Seine Chancen auf ein Direktmandat sind gut.

Fühlt sich in der Bürgerschaft wohl: Walter Scheuerl Bild: dpa

HAMBURG taz | Walter Scheuerl will „der Gesellschaft etwas zurückgeben“ – den Politiker Walter Scheuerl. Und deshalb verkündet der 53-jährige Rechtsanwalt aus den noblen Elbvororten nun, bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 als Einzelkandidat anzutreten. „Es ist hanseatisch, sich um die Belange der Stadt zu kümmern“, sagte Scheuerl am Montag im Gespräch mit der taz.

Seine Kandidatur ist dank des von der Volksinitiative „Mehr Demokratie“ durchgesetzten Wahlrechts nicht aussichtslos. Um das fünfte Direktmandat im Wahlkreis Blankenese zu erringen, braucht Scheuerl nur die Grüne Phyliss Demirel oder FDP-Spitzenfrau Katja Suding hinter sich zu lassen, die 2011 je ein Direktmandat ergatterten (siehe Kasten). Für beide wäre das wohl das Ende ihrer Karrieren. Demirel hat auf Platz 9 der grünen Landesliste kaum ein Chance, auf diesem Weg in die Bürgerschaft zu gelangen.

Und ob die FDP die Fünf-Prozent-Hürde überspringt und somit erneut ins Parlament einzieht, ist zurzeit mehr als fraglich. Würde aber Suding ihr Direktmandat verteidigen können, obwohl ihre Partei aus der Bürgerschaft fliegt, säße sie ebenfalls als fraktionslose Einzelabgeordnete neben Scheuerl im Plenarsaal.

In diesem Fall hätte die nächste Bürgerschaft 123 Sitze. Denn nach § 5 des Hamburger Wahlgesetzes werden erfolgreiche EinzelbewerberInnen zu den üblichen 121 Abgeordneten „hinzugefügt“ und somit die Zahl der VolksvertreterInnen erhöht.

Der Wahlkreis 4 Blankenese umfasst den Westen Altonas mit den gutbürgerlichen Vierteln Rissen, Blankenese, Sülldorf, Iserbrook, Nienstedten und Groß Flottbek sowie den weniger betuchten Stadtteilen Osdorf und Lurup.

Einkommen: Nienstedten ist mit einem Jahreseinkommen von rund 139.000 Euro pro Beschäftigten der reichste Stadtteil Hamburgs, gefolgt von Othmarschen mit 105.000 und Blankenese mit 101.000 Euro.

Wahlberechtigte: etwa 81.000 Menschen.

Direktmandate: fünf.

Bürgerschaftswahl 2011: Vor vier Jahren errangen die Direktmandate Frank Schmitt (SPD) mit 29.358 Stimmen, Karin Prien (CDU) 26.704, Annegret Krischok (SPD) 24.034, Katja Suding (FDP) 22.354, Phyliss Demirel (Grüne) 6.847.

Bekannt geworden in Hamburg war Scheuerl als treibende Kraft der Initiative „Wir wollen lernen“. Der war es bei einem Volksentscheid 2010 gelungen, die von Schwarz-Grün geplante Primarschulreform zu stoppen. Nach dem Scheitern des Bündnisses von CDU und GAL und dem Rücktritt von CDU-Bürgermeister Ole von Beust hievten die neuen starken Männer der Union, Parteichef Frank Schira und Bürgermeister Christoph Ahlhaus, den „Schulrebellen“ auf einen vorderen Listenplatz und in die Bürgerschaft.

Im März 2014 indes überwarf sich der parteilose Scheuerl mit dem Fraktionsvorsitzenden Dietrich Wersich. Der legte ihm daraufhin auf einem CDU-Parteitag unter tosendem Beifall der Delegierten öffentlich nahe, „nicht mehr zur Fraktion zu gehören“. Tags darauf trat Scheuerl aus, nahm sein Listenmandat mit und sitzt seitdem als fraktionsloser Abgeordneter im Rathaus.

Und das mit Freude, wie er versichert. Als Fraktionsloser sei man ja kein Abgeordneter zweiter Klasse und habe fast alle Rechte: Volles Stimmrecht im Parlament, vollständige Information über alle Gesetzgebungsvorhaben, Vollmitglied in zwei Ausschüssen sowie das Recht, kleine Anfragen stellen. Und das Rederecht in der Bürgerschaft erlaubt ihm jeweils fünf Minuten Redezeit in der aktuellen Stunde und in den Debatten. „Als Fraktionsloser habe ich mehr geredet als vorher“, sagt Scheuerl, „ich muss mir ja nicht mit anderen Abgeordneten die Zeit teilen.“

Und dass seine Reden im Parlament niemals und von niemandem mit Beifall bedacht werden, bekümmert den nervenstarken Anwalt Scheuerl nicht: „Dass die alle aus Prinzip nicht klatschen, ist doch Kinderkram.“

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