Konflikt in der Ukraine: Minister warnt vor Winteroffensive

Der ukrainische Außenminister Klimkin bittet Deutschland um Hilfe. Eine proeuropäische Koalition soll dem Land mehr Stabilität verleihen und Korruption bekämpfen.

Nahe Lugansk hält sich ein ukrainischer Soldat mit einem Tanz warm. Bild: ap

KIEW/BERLIN rtr/dpa | Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin fordert im Konflikt mit prorussischen Separatisten Unterstützung von Deutschland. „Für unsere Truppentransporter brauchen wir dringend Dieselmotoren, die wir in Deutschland angefragt haben. Hier wäre eine schnelle Lösung wichtig“, zitierte die Bild-Zeitung Klimkin (Freitagausgabe).

Zugleich warnte der Außenminister: „Wir sehen erneut russische Truppenbewegungen, weshalb wir uns auch auf eine Winteroffensive vorbereiten müssen.“ Aus der Bundesregierung hieß es dem Bericht zufolge, jede Lieferung an die Ukraine sei eine Provokation an Russland, die den Frieden schwieriger mache.

Einen Monat nach dem Wahlsieg prowestlicher Kräfte hat das ukrainische Parlament Regierungschef Arseni Jazenjuk mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Bei der ersten Sitzung der Obersten Rada in Kiew stimmten 341 von 390 anwesenden Abgeordneten am Donnerstag für den prowestlichen Politiker. Jazenjuk, der erst seit Februar im Amt ist, beschwor die Einheit des krisengeschüttelten Landes.

Der 40-Jährige führt künftig eine Koalition von fünf Parteien an, die im Parlament über eine verfassungsändernde Mehrheit verfügt. Die proeuropäischen Kräfte versprechen sich von dem breiten Bündnis mehr politische Stabilität in der früheren Sowjetrepublik. Im Osten der Ukraine kämpft die Armee gegen prorussische Separatisten; zudem ist die Schwarzmeer-Halbinsel Krim seit März von Russland annektiert.

Die „Gefahr aus dem Osten“

Präsident Petro Poroschenko kritisierte in einer Rede Russland als Aggressor. Auch ein möglicher Friede mit den moskautreuen Aufständischen im Donbass beseitige für die Ukraine die „Gefahr aus dem Osten“ nicht. „Manchmal muss man mit einem Revolver unter dem Kissen schlafen. Der Feind steht vor den Toren“, warnte der prowestliche Staatschef. Er sprach sich erneut für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aus.

Russland warnte das Nachbarland mit Nachdruck vor einem solchen Schritt. „Eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine wird das ganze System der europäischen Sicherheit sprengen. Wer Kiew in das Bündnis hineinzieht, übernimmt riesige geopolitische Verantwortung“, sagte Vize-Außenminister Alexej Meschkow in Moskau. Russland sieht eine Nato-Eingliederung der Ukraine als Gefahr für seine Sicherheit.

Die Ukraine hatte sich vor Jahren offiziell für einen blockfreien Status entschieden. Allerdings hatte das Regierungsbündnis einen Nato-Kurs als eine der Prioritäten im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Poroschenko will die Bevölkerung in einem Referendum darüber entscheiden lassen. Die Nato hatte erklärt, die Türen stünden der Ukraine grundsätzlich offen.

In Berlin rief Außenminister Frank-Walter Steinmeier dazu auf, in der Krise weiter auf die im September beschlossenen Friedensschritte zu dringen. „Wir dürfen das Protokoll von Minsk nicht der Geschichte überantworten“, sagte er. In der weißrussischen Hauptstadt Minsk hatten sich die Konfliktparteien auf Wege aus der Krise verständigt.

Ausländer soll Korruption bekämpfen

Poroschenko lehnte in seiner Parlamentsrede eine von Russland und den Separatisten geforderte Föderalisierung der Ukraine ab. Das Land sei unteilbar, unterstrich der Staatschef. Als größte Herausforderung für die künftige Koalition, der außer dem Poroschenko-Block unter anderem die Volksfront Jazenjuks angehört, nannte er die Bekämpfung der Korruption in Europas zweitgrößtem Flächenstaat.

Poroschenko schlug – ohne eine konkrete Person zu nennen – einen Ausländer für die Leitung des Antikorruptionsbüros vor. „Ein Nichtukrainer steckt nicht in den Strukturen“, sagte er. Die Abgeordneten wählten einen seiner engen Vertrauten, Wladimir Groisman, zum Parlamentspräsidenten. 359 Abgeordnete stimmten für den 36-jährigen bisherigen Vizeregierungschef.

In der Obersten Rada sitzen vorerst nur 418 von ursprünglich 450 Abgeordneten. Die übrigen Plätze bleiben frei, weil Teile der Ostukraine sowie die Krim an der Wahl nicht teilnehmen konnten.

In einer dramatischen Szene wurde während der Sitzung auf einem Bildschirm ein Foto eingeblendet, das den von der Abgeordneten Nadeschda Sawtschenko unterzeichneten Eid zeigte. Die Offizierin wurde im Juni von Separatisten gefangen genommen und wartet in einem Moskauer Gefängnis auf einen Prozess. Die dortige Justiz wirft ihr vor, in die Tötung zweier russischer Journalisten verwickelt zu sein.

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